Mit einer kurzen Erklärung hat sich der Vatikan in die Debatte um den Synodalen Weg in Deutschland eingemischt. Eine etwas rätselhafte, harsche und zugleich werbende Ermahnung. Die auch in Richtung Kritiker zielt.
Vatikanstadt – Mit einer ungewöhnlichen Erklärung hat sich der Vatikan in die zuweilen aufgeheizte Debatte um den Synodalen Weg in Deutschland eingemischt. In einer kurzen „Erklärung des Heiligen Stuhls“ ermahnt dieser das kirchliche Reformprojekt, es könne die Gläubigen weder zu neuen kirchlichen Leitungsstrukturen noch zu neuen Ausrichtungen von Lehre und Moral verpflichten.
Als Grund nennt der Vatikan eine mögliche „Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und Bedrohung der Einheit der Kirche“. In der Tat eine sehr deutliche Ermahnung. Gemeint sein könnte der neue „Synodalrat“, der eine Art gemeinsamer Regierung von Zentralkomitee der Katholiken und Bischofskonferenz über die Kirche in Deutschland etablieren würde. Aber auch neue Lehren, etwa zur Sexualität, Ehe, kirchlichem Amt etc. dürften im Blick sein. Die 15-zeilige Erklärung erschien am Donnerstag, zwei Stunden nach dem mittäglichen Presse-Bulletin, wie aus heiterem Himmel. Versendet über den Verteiler des vatikanischen Presseamts, aber ohne Absender. Kein Name, keine Behörde, kein Datum. Geschweige denn eine Unterschrift. Ebenso wenig wird ein Anlass genannt.
Zu vermuten ist die Herkunft des Textes im Staatssekretariat. Aber von wem sie veranlasst sein könnte – darüber lässt sich spekulieren. Kritiker des Synodalen Wegs der Deutschen gibt es weltweit viele. Etliche, auch Bischöfe, meldeten sich in Petitionen und offenen Briefen. So betitelte die deutschsprachige Sektion von Vatican News ihren kurzen Bericht mit: „Heiliger Stuhl zeigt deutschem Synodalen Weg Grenzen auf“. Dies ist eine Lesart des Schreibens. Eine andere, zumindest ergänzende, wäre: Rom will besorgte Kritiker beruhigen und lässt diese wissen, dass auch der Heilige Vater mögliche Fehlentwicklungen der katholischen Kirche Deutschlands im Blick behält. Das tut er nun mit einer eigenen Erklärung.
Wer den ganzen Text liest, erkennt das bekannte katholische „et … et“ („sowohl … als auch ….“): Sowohl eine Mahnung vor Fehlentwicklungen und -interpretationen als auch die Hoffnung, die Kirche in Deutschland möge sich in den weltweiten synodalen Prozess einbringen und ihn bereichern. Dazwischen der Verweis auf den Brief des Papstes „an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ vom Juni 2019.
Den hat Franziskus bisher jedes Mal erwähnt, wenn er nach dem „Synodalen Weg“ gefragt wurde. Durchaus mit dem Unterton, ob nicht auch er besorgt sei. Den Brief erwähnt der Papst auch deshalb immer wieder, weil er meint, seine darin sorgsam formulierten Anliegen zu Evangelisierung, geistlicher Unterscheidung und Synodalität seien in Deutschland nicht recht angekommen. Was man dort bestreitet. In Deutschland kam die Erklärung ebenfalls völlig unerwartet an. Es sei denn, auch jemand von dort habe im Vatikan eine entsprechende Äußerung mit angeregt.
Das Synodensekretariat unter Kardinal Mario Grech jedenfalls war dem Vernehmen nach nicht damit befasst. Auch wenn man die internationale Debatte um den Weg der Deutschen mit verfolgt, war man dort über die „Erklärung des Heiligen Stuhls“ ebenfalls überrascht. Es wäre im Übrigen auch gar nicht die Art der neuen Riege dort, laufende synodale Prozesse weltweit so zu kommentieren.
Zu denken gibt im Übrigen, dass der Vatikan vor Fehlentwicklungen warnt, die laut Satzung des Synodalen Weges ausgeschlossen sind. Demnach sollen die Rechte von Bischöfen wie auch der weltkirchlichen Leitung unter und mit dem Papst nicht angetastet werden. In der Mahnung vom Donnerstag heißt es ja auch, es dürften „vor einer auf Ebene der Universalkirche abgestimmten Übereinkunft“ keine neuen amtliche Strukturen oder Lehren eingeführt werden.
Die Lesart, der Vatikan signalisiere den Kritikern des Synodalen Wegs, dass er sich kümmert, bestätigt die jüngste Erfahrung von Adveniat-Chef Martin Maier: Von seiner jüngsten Lateinamerika-Reise berichtete er, dort sei „das Bild des Synodalen Wegs in Deutschland von einseitigen Informationen und Falschdarstellungen geprägt“. In Gesprächen mit Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien habe er verbreitete Vorurteile gehört wie, „die katholische Kirche in Deutschland wolle sich von der Weltkirche abspalten“.
Dass der vatikanische Rüffel über Deutschland hinaus zielt, vermutet der italienische Kirchenhistoriker Massimo Faggioli. Auch synodale Prozesse andernorts sollten gewarnt werden. Das mag mitschwingen. Andererseits waren selbst bei Australiens Plenarkonzil nicht ansatzweise solch weitreichende Reformanregungen wie aus Deutschland zu hören.