Zentrumspartei nicht mehr im Bundestag

Die Zentrumspartei hat durch den Beitritt von Ex-AfD-Chef Jörg Meuthen nicht Bedeutung hinzugewinnen können – im Gegenteil.
Zentrumspartei nicht mehr im Bundestag

–Foto h kama/Pixabay

Die Zentrumspartei hat durch den Beitritt von Ex-AfD-Chef Jörg Meuthen nicht Bedeutung hinzugewinnen können – im Gegenteil: Einen Rückschlag erlitt die seit wenigen Monaten im Bundestag vertretene Partei, indem sie nicht zur im Oktober stattfindenden Landtagswahl in Niedersachsen zugelassen wurde. Zudem verliert sie das erst im Januar erlangte Bundestagsmandat wieder, da der Abgeordnete Uwe Witt seinen Austritt erklärt hat, wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtet.

Die Partei hatte sich von Meuthens Eintritt einen politischen Schub versprochen, auch im Hinblick auf die Landtagswahl. Für die Wahlzulassung hätte die Zentrumspartei wie andere Parteien auch 2.000 Unterstützungsunterschriften vorlegen müssen, am Ende fehlten jedoch etwa 800.

Das Problem: Nach Informationen von Zeit online sollen bei der Unterschriftensammlung zahlreiche potenzielle Unterstützende die Unterschrift verweigert haben mit Verweis auf Meuthens AfD-Vergangenheit. Auch der Abgeordnete Witt nennt dies laut Bericht als Grund für seinen Rückzug aus der Partei: Durch den Eintritt des ehemaligen AfD-Chefs im Frühjahr stoße die Zentrumspartei bei ihrer Wählergruppe auf Ablehnung, heißt es in dem Schreiben, das Witt an den Parteivorstand adressierte und das Zeit online vorliegt.

Der Sozialpolitiker Witt war Ende 2021 aus der AfD ausgetreten, wo er zum innerparteilich gemäßigten Flügel zählte. Er hatte sich schon fünf Monate vor Meuthen der katholisch-konservativen Partei angeschlossen, die dadurch erstmals seit 1957 wieder im Bundestag vertreten war. „In eine Zentrumspartei mit Jörg Meuthen wäre ich niemals eingetreten, da nicht nur programmatisch, sondern auch menschlich aus meiner Sicht viele Dinge dagegensprechen“, begründete er seinen Austritt weiter. Leider habe sich sehr schnell gezeigt, dass die von Meuthen „bereits in der AfD praktizierte destruktive Vorgehensweise hier fortgesetzt werden sollte“.

Meuthen, der in seinen ersten Jahren als AfD-Chef die Nähe und Unterstützung des völkischen Flügels fand, hatte die AfD im Januar nach sieben Jahren an der Parteispitze verlassen und das mit der Radikalisierung der Partei begründet. In der Zentrumspartei war er offiziell seit Anfang Juni einfaches Mitglied, schaltete sich aber aktiv in strategische Prozesse und den Wahlkampf ein. Wie aus Zeit online vorliegenden Chatnachrichten hervorgeht, schrieb er dem Bundesvorstand zum Beispiel Sprachregelungen vor, wie auf Presseanfragen nach dem Scheitern an der Unterschriftenhürde reagiert werden sollte.

Von den offiziell knapp 400 Mitgliedern sind nach Einschätzungen aus der Partei nur wenige aktiv, was die Mobilisierung für eine Wahl zusätzlich erschwert. Durch die Nichtzulassung und auch durch den Verlust ihres Bundestagsmandats bleibt die Zentrumspartei nun so bedeutungslos wie bisher. Meuthen sitzt für die Zentrumspartei als fraktionsloser Abgeordneter im Europaparlament.

Die 1870/71 gegründete katholische Zentrumspartei war sowohl im Kaiserreich als auch in der Weimarer Republik eine sehr einflussreiche demokratische Partei und stellte mehrere Reichskanzler und Minister, darunter Heinrich Brüning, Wilhelm Marx und Matthias Erzberger. Im Juli 1933 löste sie sich auf. Mit der Gründung der CDU als überkonfessioneller Sammlungspartei verlor das Zentrum nach dem Zweiten Weltkrieg größere Teile seiner Wähler- und Mitgliederbasis. Seit Mitte der 1950er-Jahre war sie lediglich eine Kleinpartei.

kna