Eine neue Sexualethik der katholischen Kirche darf wissenschaftliche Erkenntnisse zu geschlechtlichen Identitäten nach Worten des Sozialethikers Andreas Lob-Hüdepohl nicht außer Acht lassen.
Bonn – Eine neue Sexualethik der katholischen Kirche darf wissenschaftliche Erkenntnisse zu geschlechtlichen Identitäten nach Worten des Sozialethikers Andreas Lob-Hüdepohl nicht außer Acht lassen. Dies würde „die personale Identität der Menschen faktisch erneut halbieren“, schreibt der Theologe in einem Gastbeitrag für das Portal katholisch.de am Freitag. Vorbehalte, wie sie in der vergangenen Woche bei der Vollversammlung des Synodales Wegs deutlich geworden waren, müssten ausgeräumt werden.
Bei der vierten Vollversammlung des Reformprozesses der katholischen Kirche in Deutschland war ein Grundlagentext für eine Liberalisierung der katholischen Sexualmoral an der Sperrminorität von Bischöfen gescheitert. Die Ablehnung hatte zu einer großen Krise bei der Vollversammlung und zu emotionalen Debatten geführt.
Die Vorbehalte gegenüber den Ausführungen zur Vielfalt geschlechtlicher Identitäten verzögerten notwendige Entwicklungen in der Kirche, so Lob-Hüdepohl. Vor allem aber blockierten sie „den Anschluss an wichtige Erkenntnisse der Humanwissenschaften. Und sie erschweren den Abbau von Ressentiments gegenüber queeren Menschen.“
Queer ist ein Sammelbegriff für Menschen, die nicht heterosexuell sind sowie für Personen, deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Vorstellungen übereinstimmt. Diese Menschen kämpften „um die Anerkennung ihrer Menschenwürde, ja ihrer Gottesebenbildlichkeit“, betont das Ethikratsmitglied.
Daher gelte es, sich „von manch schrillen Tönen der Gender-Debatte nicht beeindrucken“ zu lassen, sondern nüchtern die Befunde humanwissenschaftlicher Expertise aufzugreifen. Derzufolge gelte auch für das biologische Geschlecht die Formel: „bipolar, statt strikt binär“. Dieses Verständnis sei „offen für eine Vielzahl von Nuancierungen“, erklärt Lob-Hüdepohl: „In Kombination mit dem sozialen Geschlecht weitet sie sich zu einer Fülle unterschiedlicher geschlechtlicher Identitäten.“
Der Ethiker verwies auf das Papier „Created and Loved“ der australischen Bischöfe, das in diesem Zusammenhang als „Blaupause“ dienen könne. Demnach bildeten sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität, beide in komplexen Prozessen entwickelt, zusammen die sexuelle Identität des Menschen. Nichts davon, so Lob-Hüdepohl, widerspreche dem christlichen Menschenbild.