Der Judaist Peter Schäfer sieht in der aktuellen Inszenierung der Passionsspiele in Oberammergau einen „jüdisch-christlichen Einheitsbrei“.
München – Der Judaist Peter Schäfer sieht in der aktuellen Inszenierung der Passionsspiele in Oberammergau einen „jüdisch-christlichen Einheitsbrei“. Bei dem Versuch, antisemitische Tendenzen aus dem Stoff zu entfernen, sei „ein Juden-Christentum“ herausgekommen, „bei dem sich Juden wie Christen wohlfühlen können, ohne wirkliche Unterschiede, ohne Konflikte“, schreibt er in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung (Wochenende). Die 42. Passionsspiele in Oberammergau gehen am Sonntag zu Ende.
Die neue Fassung des Passionsspiels wolle „hinter die Botschaft des Neuen Testaments zurück“, schreibt Schäfer weiter. Dies werde weder dem Neuen Testament noch der historischen Situation zur Zeit Jesu gerecht. Aus seiner Sicht soll davon das Signal ausgehen, dass die Deutschen ihre Lektion endgültig gelernt hätten: „Wir beseitigen alle Spuren des Antisemitismus aus den Passionsspielen und aus dem Neuen Testament – und, weil wir schon mal dabei sind, das Neue Testament gleich mit. Mit anderen Worten: Wir erklären der Welt, wie Judentum und Christentum aussehen müssen, damit Juden und Christen in Zukunft einträchtig miteinander leben können.“
Er dagegen unterstelle dem Neuen Testament „durchaus und ganz bewusst antisemitische Tendenzen“, betont der in Princeton lehrende Wissenschaftler. „Antijüdische Spitzen“ seien jedoch aus der Handlung „eliminiert“ worden, jüdische Kernaussagen würden „für die neue jüdisch-christliche Religion Jesu reklamiert“.
Hebräische Worte und jüdische Gebete würden im Passionsspiel als „Folkore“ genutzt, die Jesusfigur sei „geradezu besessen von ‚Liebe‘ als zentraler Botschaft des Neuen Testaments“. Dabei gehe beispielsweise unter, dass die christliche Vorstellung vom Glauben an jemanden oder etwas dem Judentum – und damit dem historischen Jesus – eher fremd sei. Auch dass der Passions-Jesus in der Szene des letzten Abendmahls an Liebe und Nächstenliebe appelliert, kritisiert der frühere Leiter des Jüdischen Museums Berlin: „Kitschiger und sowohl historisch wie auch theologisch sinnloser könnte man es nicht machen.“
Ebenso sei die „entscheidende Botschaft“ von der Auferstehung Jesu „seltsam heruntergespielt“, schreibt Schäfer. Der auferstandene Jesus tritt nicht mehr auf, auch gibt es keine Szene zur Aussendung der Apostel. „Diese Botschaft war für die Oberammergauer Inszenierung dann offenbar doch zu christlich“.