Nach Meinungsverschiedenheiten zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine liegen die Beziehungen der russisch-orthodoxen Kirche zum Vatikan laut dem Moskauer Patriarchat nahezu auf Eis.
Moskau – Nach Meinungsverschiedenheiten zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine liegen die Beziehungen der russisch-orthodoxen Kirche zum Vatikan laut dem Moskauer Patriarchat nahezu auf Eis. „In letzter Zeit muss ich leider sagen, dass unsere Beziehungen praktisch eingefroren sind“, sagte der Außenamtschef der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Antonij, laut der Nachrichtenagentur Tass am Wochenende dem staatlichen TV-Sender Rossija 24. „Einige der Kommentare, Erklärungen, die wir nicht nur aus dem Mund des Papstes, sondern auch von den meisten seiner Assistenten lesen und hören,“ trügen überhaupt nicht zur weiteren Zusammenarbeit der russisch-orthodoxen und der katholischen Kirche und zur Vorbereitung eines Treffens ihrer Oberhäupter, Patriarch Kyrill I. und Papst Franziskus, bei.
Antonij, der als Nummer zwei seiner Kirche nach dem Patriarchen gilt, kritisierte Äußerungen von Franziskus in einem Interview von Anfang Mai. Der Papst habe ein „wohlwollend“ geführtes Videogespräch mit Kyrill I. „auf karikaturistische Weise nacherzählt“ und sich „vollkommen unzulässig“ ausgedrückt. Der Papst hatte damals der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ berichtet, Kyrill I. habe zu Beginn des gemeinsamen Gesprächs Mitte März 20 Minuten lang Rechtfertigungen für den Krieg vorgetragen. Er warf dem Patriarchen in dem Interview indirekt vor, dieser sei auf dem Weg, „Putins Messdiener“ und „Staatskleriker“ zu werden. Zudem kündigte Franziskus an, ein für Juni geplantes Treffen mit Kyrill I. in Jerusalem werde nicht weiter verfolgt. Denn es könne davon ein „zweideutiges Signal“ ausgehen.
Auch eine Begegnung der beiden Kirchenoberhäupter in Kasachstan kam Mitte September nicht zustande. Der Vatikan habe „nichts unternommen, um sicherzustellen, dass ein solches Treffen in Kasachstan stattfinden kann“, rügte Antonij bereits kurz nach dem dortigen Weltkongress der Weltreligionen. Der Patriarch hatte seine Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt, bei der Franziskus Kyrill I. treffen wollte. Stattdessen kam es in der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan dann zu einer kurzen Unterredung von Antonij und Franziskus.
Die lange schwierigen Beziehungen der katholischen und russisch-orthodoxen Kirche hatten sich nach dem ersten und bisher einzigen Treffen ihrer Oberhäupter 2016 deutlich verbessert. Franziskus und Kyrill I. umarmten sich damals im Flughafen der kubanischen Hauptstadt Havanna und sprachen sich für eine stärkere Zusammenarbeit aus. Der Vatikan und das Moskauer Patriarchat engagierten sich seither etwa gemeinsam für verfolgte Christen im Nahen Osten und den Schutz traditioneller Werte. Für eine zweite Begegnung von Kyrill I. und Franziskus stellt die russisch-orthodoxe Kirche aber Bedingungen: Man müsse sich zuvor auf eine gemeinsame Erklärung verständigen, die bei dem Treffen veröffentlicht werden sollte.
Der Moskauer Patriarch sorgte mit Äußerungen auf Linie von Kreml-Chef Wladimir Putin wiederholt für Empörung. Kyrill I. versuchte mehrfach, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Vor einer Woche versprach er russischen Soldaten die Reinigung von all ihrer Sünden, wenn sie treu ihren Militärdienst leisten und im Krieg sterben. Er betete auch für den Sieg über Feinde, die das Volk der sogenannten Heiligen Rus „spalten und vernichten“ wollten. Franziskus rief am Sonntag erneut eindringlich zur Beendigung des Ukrainekriegs auf. Er forderte Putin auf, die „Spirale von Gewalt und Tod“ zu stoppen, auch zum Wohl des eigenen Volkes. An den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj appellierte der Papst, er solle offen „für ernsthafte Friedensvorschläge“ sein.