Urteil: Abtreibungs-Protest in Kirche von Grundrechten gedeckt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einer Femen-Aktivistin Recht gegeben, die mit nackten Brüsten in einer Kirche gegen das katholische Abtreibungsverbot protestiert und dafür eine Bewährungsstrafe erhalten hatte.
Straßburg – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einer Femen-Aktivistin Recht gegeben, die mit nackten Brüsten in einer Kirche gegen das katholische Abtreibungsverbot protestiert und dafür eine Bewährungsstrafe erhalten hatte.

Bild von Sang Hyun Cho auf Pixabay

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einer Femen-Aktivistin Recht gegeben, die mit nackten Brüsten in einer Kirche gegen das katholische Abtreibungsverbot protestiert und dafür eine Bewährungsstrafe erhalten hatte. Auch wenn die Kundgebung gerade an diesem Ort religiöse Gefühle habe verletzen können, müsse die Meinungsfreiheit ausreichenden Schutz genießen, befanden die Richter in ihrer am Donnerstag in Straßburg veröffentlichten Entscheidung. Die von der französischen Justiz angeführten Gründe reichten nicht aus, um eine Strafe dieser Schwere zu rechtfertigen. Weil die Botschaft der Aktivistin ein Thema von allgemeinem Interesse betreffe, habe der Staat hier geringen Ermessensspielraum.

Die Klägerin hatte als Mitglied der Frauenprotestbewegung Femen im Dezember 2013 in der Pariser Kirche La Madeleine für körperliche Selbstbestimmung demonstriert. Ihre Aktion mit freiem Oberkörper vor dem Altar beinhaltete religiöse Gesten und sollte unter Verwendung eines Stücks Rinderleber eine Abtreibung darstellen. Zu dem Zeitpunkt fand kein Gottesdienst statt. Ein Gericht in Frankreich verurteilte sie wegen „sexueller Zurschaustellung“ zu einem Monat Haft auf Bewährung sowie zur Zahlung von 2.000 Euro an die Pfarrgemeinde. Ein Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung.

Der Gerichtshof für Menschenrechte erinnerte daran, dass eine Gefängnisstrafe im Rahmen einer politischen oder gesellschaftlichen Debatte „nur unter außergewöhnlichen Umständen mit dem in Artikel 10 der Menschenrechtskonvention garantierten Recht auf freie Meinungsäußerung vereinbar“ sei, beispielsweise im Fall von Hassreden oder Anstiftung zu Gewalt.

Die Straßburger Richter verwiesen darauf, dass auch das Recht auf ungestörte Religionsausübung bei der Entscheidung der französischen Gerichte eine Rolle spielte; weil aber die Anklage auf Exhibitionismus lautete, mussten die Gerichte keine Abwägung zwischen den Grundrechten Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit vornehmen. Der Menschenrechtsgerichtshof sprach der Klägerin 2.000 Euro für immateriellen Schaden und 7.800 Euro Auslagenersatz für Gerichts- und Reisekosten zu.