Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. wandelt nach Ansicht des Münchner Kardinals Reinhard Marx auf Abwegen.
Berlin – Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. wandelt nach Ansicht des Münchner Kardinals Reinhard Marx auf Abwegen. Kyrill vertrete das Konzept des „Heiligen Krieges“ – „das hatten wir eigentlich hinter uns“, sagte Marx der „Welt am Sonntag“. Die Kreuzzüge im Mittelalter seien „mit solchen Sprüchen“ geführt worden.
Im Angesicht der Krise des Religiösen gebe es zwei Irrwege, führte der Kardinal aus. „Der eine ist die Sentimentalisierung der Religion, Religion als reine ‚Erbauung‘, der andere ist die Politisierung. Ich hatte eigentlich gedacht, zumindest der zweite Weg habe sich irgendwann in der Geschichte erledigt. Aber er feiert gerade fröhlichste Auferstehung.“
Religion, auch die christliche, könne zu einem „Schwungrad der Macht“ werden. „Das ist die Versuchung des Großinquisitors in den ‚Brüdern Karamasow‘. Ihr nachzugeben, führt zur ‚Perversion‘ des Christentums“, so Marx. „Aber Kyrill ist nicht der Sprecher des gesamten Christentums.“
Auf die Frage, ob Deutschland mehr Waffen an die Ukraine liefern sollte, antwortete Marx: „Auch mit unseren Waffen werden Menschen umgebracht. Ich finde es schlecht, dass Pazifisten mittlerweile als Dummköpfe runtergemacht werden.“ Weiter meinte der Kardinal: „Waffenlieferungen mögen derzeit das kleinere Übel sein, dem man dann zustimmen muss – ich selbst bin kein Pazifist und sehe keinen besseren Weg, den Angegriffenen zu helfen. Das ist aber keine theologische Einsicht, sondern eine der rationalen Ethik.“
Grundsätzlich solle man „den lieben Gott aus dem Spiel lassen, wenn Menschen Krieg führen“, fügte der Erzbischof von München und Freising hinzu. „Vor allem, wenn man sich überlegt, dass wahrscheinlich auf beiden Seiten die meisten getauft sind.“