Berlin – In der Debatte über die Zukunft von Erinnerungskultur sieht der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik digitale Projekte skeptisch.
Berlin – In der Debatte über die Zukunft von Erinnerungskultur sieht der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik digitale Projekte skeptisch. So sprach er sich in einem am Dienstag verbreiteten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) gegen den Auftritt von Shoah-Überlebenden als Hologramme aus. „Ich bin entschieden dagegen, dass gleichsam digitale Gespenster als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Geschichte ist Geschichte, und man kann das Geschehene nicht elektronisch wieder auferstehen lassen.“
Wenn es um eine mediale Vermittlung gehe, könne er sich Filme wie Claude Lanzmanns „Shoah“, in dem zahlreiche Überlebende zu Wort kommen, sehr viel besser vorstellen. Brumlik betonte auch, dass Zeitzeugen eine große Bedeutung für die Bildung zukomme: „Wenn es nur um Belesenheit geht, reicht das zweifelsohne nicht. Es kommt auch darauf an, dass das, was da gelesen und rezipiert wird, durch Zeitzeugengespräche – lange wird das nicht mehr gehen – ergänzt wird, um angemessen moralisch aufgenommen und verstanden zu werden.“
Brumlik sprach sich erneut für Pflichtbesuche in KZ-Gedenkstätten aus – allerdings unter bestimmten Voraussetzungen: „Ohne Vor- und Nachbereitung sind solche Besuche sinnlos. Sie gehen sonst an den Schülerinnen und Schülern vorbei.“ Besuche müssten gründlich ein halbes Jahr lang vorbereitet und danach ordentlich etwa im Geschichtsunterricht nachbereitet werden. In der Frage nach der Konzeption von Gedenkstätten sagte der Erziehungswissenschaftler, ihn habe bisher am meisten überzeugt, wenn es gelinge, Jugendlichen die Lebensgeschichten von Häftlingen nahezubringen.