Das Internationale Auschwitz Komitee hat an die Deutschen appelliert, sich von Hetze und Agitation rechtsextremer Gruppen und Parteien zu distanzieren. Demokratie und Politik brauchten Kritik, Demonstrationen und Widerspruch.
Zwickau – Das Internationale Auschwitz Komitee hat an die Deutschen appelliert, sich von Hetze und Agitation rechtsextremer Gruppen und Parteien zu distanzieren. Demokratie und Politik brauchten Kritik, Demonstrationen und Widerspruch, erklärte Vizepräsident Christoph Heubner am Mittwoch in Zwickau. Die Bürger dürften sich aber nicht von denen missbrauchen lassen, die den Holocaust leugneten und die Demokratie zerstören wollten.
Internationales Auschwitz Komitee: Demokratie und Toleranz schützen
Heubner äußerte sich zum Gedenktag des 9. Novembers, der sowohl an den Mauerfall von 1989 als auch an die Judenpogrome in Nazi-Deutschland von 1938 erinnert. An diesem Tag seien die Deutschen zu einer „ehrlichen Bestandsaufnahme und Reflektion ihrer aktuellen Situation“ herausgefordert, sagte Heubner. An diesem Tag verbänden sich Schmerz, Scham und Freude, Geschichte und Gegenwart miteinander.
Für die Überlebenden des Holocaust sei das Entstehen einer lebendigen Demokratie in Deutschland nach 1945 und nach 1989 bis heute eines der wichtigsten Hoffnungszeichen, so Heubner. „Es belegt, wie Menschen aus den Schrecken der Geschichte lernen und ein demokratisches Miteinander gestalten können.“
Es liege an jedem einzelnen Bürger, Demokratie und Toleranz in Deutschland zu schützen, so der Vizepräsident des Auschwitz Komitees. „Wir brauchen diesen Blick zurück gerade in diesen Tagen und Monaten, in denen sich Menschen nicht nur in Deutschland erneut radikalisieren und das Vertrauen in die Demokratie durch die ständige Hetze und Agitation rechtsextremer Gruppen und Parteien bedroht wird.“
Stichwort: Novemberpogrome von 1938
Die Novemberpogrome von 1938 waren eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Zerstörung von Einrichtungen jüdischer Bürger im gesamten Deutschen Reich. Nach unterschiedlichen Schätzungen wurden in der Zeit vom 7. bis 13. November 1938 im damaligen Reichsgebiet zwischen 400 und 1.300 Menschen ermordet oder in den Suizid getrieben. Mehr als 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Rund 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt.
Mit dem vom Volksmund als „Reichskristallnacht“ bezeichneten Pogrom begann eine neue Phase der Verfolgung und Diskriminierung, die im Holocaust – der Deportation und Vernichtung von mehr als sechs Millionen Juden in Konzentrationslagern – endete. Der regimekritische, ironische Unterton der Bezeichnung „Reichskristallnacht“, der eine reichsweite koordinierte Aktion unterstellt, wurde später nicht mehr verstanden. Der Begriff wurde im Nachhinein von Manchen als beschönigend empfunden.
Nach den Novemberpogromen bürdete die Reichsregierung den Juden eine „Sühneleistung“ von einer Milliarde Reichsmark auf. Außerdem leiteten die Nationalsozialisten deren vollständige Ausschaltung aus dem deutschen Wirtschaftsleben, die Schließung aller jüdischen Geschäfts- und Handwerksbetriebe und den Ausschluss der jüdischen Kinder von öffentlichen Schulen in die Wege. Der Besuch von Theatern, Konzerten und Kinos wurde Juden verboten.
Weniger Kritiker
Die NSDAP deklarierte die Gewaltwelle als spontanen Akt des Volkszorns und als Reaktion auf die Ermordung des deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris durch den 17-jährigen Juden Herschel Grünspan. In Wirklichkeit war das Pogrom aber von der Parteiführung geplant und organisiert. Die Kirchen schwiegen weitgehend zu den Ausschreitungen und Morden. Zu den wenigen mutigen Kritikern zählte der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg. Er lud am Tag nach den Pogromen zu einem Gottesdienst „für die verfolgten nicht-arischen Christen und für die Juden“ ein. Dafür wurde er zu Gefängnis verurteilt und ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Auf dem Weg dorthin starb er.