Es gibt viel Gesprächsbedarf in Rom. Der Besuch der katholischen Bischöfe im Vatikan könnte wegweisend sein für die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland.
Wenn die deutschen Bischöfe in dieser Woche zum Papst reisen, haben sie schweres Reisegepäck. Der Vertrauensverlust in Politik und Gesellschaft infolge der Missbrauchsskandale ist immens; der Massen-Exodus verläuft ungebremst: 2021 kehrten 359.338 Katholikinnen und Katholiken ihrer Kirche den Rücken; ein Höchstwert. Auch der demografische Wandel lässt die Zahl der Katholiken dahinschmelzen. Vom Ende der „Volkskirche“ ist die Rede. Erstmals gehören weniger als die Hälfte der Bundesbürger einer der großen Kirchen an. Noch 21,6 Millionen sind katholisch. Der Anteil der Gottesdienstbesucher ist auf 4,3 Prozent gesunken. Historiker sprechen von einem Traditionsabbruch bei der Glaubensweitergabe.
Ungeklärte Situation im Erzbistum Köln lastet wie Blei auf der Kirche
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, empfindet die Entwicklung als dramatisch. 360.000 Menschen hätten für sich persönlich die Kirche als Institution abgewählt, sagt der Limburger Bischof: „Das schmerzt und lastet innerlich sehr auf mir.“ Wie Blei lastet auch die ungeklärte Situation im Erzbistum Köln auf der Kirche. Immer neue Brandherde werden entdeckt: etwa die Frage, ob Kardinal Rainer Maria Woelki Vergehen ihm nahe stehender Priester nicht sanktioniert hat; Enthüllungen zu PR-Strategien des Erzbistums; der Streit um die kostspielige Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT), die möglicherweise gegen einen völkerrechtlich bindenden Vertrag verstößt und erneut Fragen zum Umgang mit Kirchensteuern und zu Transparenz aufwirft.
Die Frage, ob Papst Franziskus Woelkis Rücktrittsangebot annimmt, überdeckt längst die übrigen Aufreger-Themen der vergangenen Monate: Da gab es Missbrauchsgutachten in Münster und Osnabrück; da geriet im Februar beim Missbrauchsgutachten der Erzdiözese München-Freising auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. in den Fokus. Joseph Ratzinger stritt im Kern jede Verantwortung dafür ab, dass ein des Missbrauchs beschuldigter Priester erneut in der Seelsorge eingesetzt wurde. Zugleich musste der Emeritus nachträglich seine Aussage korrigieren, wonach er bei einer entscheidenden Sitzung nicht dabei gewesen sei.
Ermüdungserscheinungen in der Öffentlichkeit
Bei all dem drängt sich der Eindruck auf, dass in der Öffentlichkeit angesichts der Missbrauchs-Dauerschleife Ermüdungserscheinungen zu beobachten sind. Dass sich die Aufregung legt, bedeutet dennoch nichts Gutes für die Kirche. Bischof Bätzing verweist darauf, dass mittlerweile sogar vermehrt jene aus der Kirche austreten, die sich jahre- und jahrzehntelang für sie engagiert haben.
Sie gehen, „weil sie enttäuscht sind; weil sie nicht erkennen können, dass sich die Kirche in wichtigen Fragen wirklich bewegt“, so Bätzing selbstkritisch. Auch der deutsche Reformprozess des Synodalen Wegs hat diesen Trend nicht gedreht. Bei der vierten Versammlung im September in Frankfurt wurde vielmehr deutlich, dass durch die Bischofskonferenz ein Riss geht, weil eine Minderheit der Bischöfe ein Papier zur Reform der Sexualmoral ablehnte. Der Passauer Bischof Stefan Oster erklärte, er halte die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bischöfen für „kaum mehr versöhnbar“.
Widerstand der kleinen Gruppe der Reformgegner bleibt groß
Osters Äußerung zeigt: Der Widerstand einer kleinen Gruppe Bischöfe gegen Reformen bleibt groß. Beim Ad-Limina-Besuch in Rom steht also viel auf dem Spiel: Schaffen es die Bischöfe, ihre schiere Not und ihre Anliegen Papst und Kurie gegenüber deutlich zu machen? Welches Signal senden Franziskus und der Vatikan an die Katholiken in Deutschland? Bleibt die Tür für Veränderungen offen? Oder lässt Rom das ohnehin schmächtige Pflänzchen der Reformhoffnungen vollends vertrocknen?