Von der Kanzel in den Kongress: Raphael Warnock bestätigt

Der Demokrat Raphael Warnock triumphiert im Bundesstaat Georgia in der Stichwahl um einen wichtigen Posten. Damit kann der schwarze Senator seine besondere Rolle als Pastor und Politiker im US-Kongress fortsetzen.
Der Demokrat Raphael Warnock triumphiert im Bundesstaat Georgia in der Stichwahl um einen wichtigen Posten. Damit kann der schwarze Senator seine besondere Rolle als Pastor und Politiker im US-Kongress fortsetzen.

Der Demokrat Raphael Warnock hat im Bundesstaat Georgia die Stichwahl gewonnen. –Foto: U.S. Senate Photographic Studio, Rebecca Hammel

„Reverend bleiben“ – mit diesem pastoral klingenden Slogan trat der Prediger der Ebenezer Baptist Church im Herzen Atlantas für seine Wiederwahl an; diesmal zu einer vollen Amtszeit von sechs Jahren im US-Senat. Nach seinem Erfolg bei der Stichwahl am Dienstag (Ortszeit) kann Raphael Warnock, seit 2021 erster schwarzer Senator des Südstaats Georgia, seine Arbeit im Kongress fortsetzen. Dort hat der 53-Jährige, der sich gleichermaßen als Pastor und Politiker versteht, eine besondere Rolle inne, für die es nur wenig Vorbilder gibt.

Für seinen politischen Aktivismus kann Warnock indes an eine lange Liste progressiver Prediger anknüpfen. Während Jesse Jackson und Al Sharpton es nicht schafften, Karriere in öffentlichen Ämtern zu machen, beendete der Mord an Bürgerrechtler Martin Luther King 1968 den nationalen Aufstieg. Dessen ehemalige Gemeinde ist nicht nur Wiege der Bürgerrechtsbewegung in den USA, sondern auch Nährboden für Warnock, der bis heute von der Kanzel Kings predigt.

„Ich bin Georgia“, rief er seinen Anhängern in der Wahlnacht zu, als feststand, dass er sich gegen den ebenfalls schwarzen Footballstar Herschel Walker durchgesetzt hatte. In dem Südstaat waren Schwarze einst brutal unterdrückt worden. King hat Warnock ohne Zweifel geprägt. Die Stimme des herausragenden Predigers hatte den jungen Warnock so in den Bann gezogen, dass er versuchte, sie zu imitieren.

Vor allem aber Kings „moralische Vision“ habe ihn gefesselt, schreibt Warnock in seinen Memoiren „The Way Out of No Way“. Die Demokratie bezeichnete er einmal als „politische Umsetzung einer spirituellen Idee“. Der Senator will seinen Glauben zum Maßstab seines politischen Handelns machen. Getreu seinem Motto, dass die Arbeit der Kirche nicht an der Kirchentür ende, sondern dort erst beginne.

Schon in den vergangenen Monaten vertrat er in der Kongresskammer seinen Bundesstaat, nachdem er sich im Januar 2021 gegen die Republikanerin Kelly Loeffler durchgesetzt hatte. Das hielt den „Reverend“, wie seine Nachbarn ihn nennen, nicht davon ab, weiterhin zu predigen. Wenn er in Atlanta ist, schließt er Ehen, bestattet Tote und kämpft wie sein Idol King für soziale Gerechtigkeit.

Warnock ist das elfte von zwölf Kindern eines Pfingstprediger-Paars. Seine Kindheit verbrachte er mit der Familie in Sozialwohnungen in Savannah. Sein Vater schlug sich mit Jobs im Schrotthandel durch, seine Mutter pflückte Tabak und Baumwolle.

Das staatliche Programm „Head Start“ ermöglichte es Raphael Warnock, einen Kindergarten zu besuchen. Dank einer Kombination aus Ausbildungsförderung und Stipendien schaffte er es auf das Elite-College Morehouse. Eine Erfahrung, die ihm zeigte, dass der Staat durchaus einen positiven Einfluss auf die Entwicklung von Menschen haben kann.

In New York erwarb Warnock später am Union Theological Seminary sowohl den Master- als auch den Doktorgrad. Großen Einfluss auf sein Denken hatte der schwarze Befreiungstheologe James H. Cone. Prägend waren zudem die Jahre an der Abyssinian Baptist Church von Harlem, in der er sich für ein Ende von Polizeigewalt und Rassismus einsetzte. In dieser Zeit dachte er zum ersten Mal über eine politische Karriere nach.

Mit gerade einmal 35 Jahren folgte der Ruf nach Atlanta als Leiter der Ebenezer Baptist Church. An die dortige Arbeit will er weiter anknüpfen. Er sei kein Senator, der früher Pfarrer gewesen sei, sagt Warnock gerne in Interviews und fügt hinzu: „Sie haben einen Pastor in den Senat geschickt.“

Von Bernd Tenhage (KNA)