Historiker: Wladimir Putin wähnt sich auf historischer Mission

Im Krieg Russlands gegen die Ukraine spielen historische Motive nach Ansicht des Bonner Historikers Martin Aust eine zunehmend wichtige Rolle.
Historiker: Wladimir Putin wähnt sich auf historischer Mission

Wladimir Putin –Foto: © Malivoja | Dreamstime.com

Im Krieg Russlands gegen die Ukraine spielen historische Motive nach Ansicht des Bonner Historikers Martin Aust eine zunehmend wichtige Rolle. Präsident Wladimir Putin sei von einer historischen Mission getrieben und mache sich die Argumente russischer Nationalisten zu eigen, sagte Aust am Dienstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Nach dieser Logik sei die Ukraine kein eigener Staat, „aber ein integraler Bestandteil der russischen Nation und wichtiger Baustein für das russische Imperium“.

Putin denke weniger in den Kategorien der 1991 untergegangenen Sowjetunion als vielmehr in denen des bis 1917 existierenden russischen Zarenreichs. Aust erinnerte in diesem Zusammenhang an eine TV-Ansprache Putins vom 21. Februar, also kurz vor dem Überfall auf die Ukraine. „Darin bezeichnete er es als einen Fehler, dass man nach dem Ersten Weltkrieg an den Rändern des ehemaligen Reichs die Bildung von Nationen zugelassen haben. Konkret meinte er damit Staaten wie Finnland, Lettland, Litauen und Estland sowie Belarus, die Ukraine und Georgien.“

Gegenüber diesen historischen Dimensionen träten die anderen beiden Hauptmotive für den Krieg zunehmend in den Hintergrund, so Aust weiter. Der erste Auslöser liege im Maidan 2004 und den 2013/14 erneut aufgeflammten Demonstrationen für einen demokratischen Wandel in der Ukraine. „Damals konnte man erleben, wie sich die Zivilgesellschaft gegen eine autoritäre Herrschaft zur Wehr setzte. Putin hat Angst vor der Ansteckungsgefahr, die von diesem demokratischen Selbstbehauptungsprozess in der Ukraine auf sein eigenes Land ausgehen könnte.“

Das zweite Hauptmotiv für den Krieg gegen die Ukraine sei ein „technokratisch-ökonomisches“, erläuterte der Osteuropa-Historiker. „Putin wollte, dass die Ukraine der Eurasischen Wirtschaftsunion beitritt – zu einem Zeitpunkt, als sich das Land in Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit der EU befand. Das führte zu Friktionen.“

kna