Weihnachten: Der Grundstein unseres Glaubens, Hoffens und Liebens. Die frohe, bleibende Botschaft von Rettung und Heil im Strom der Zeiten.
Die Grundsteinlegung. Ein festliches Ereignis in der Geschichte eines Gebäudes und seiner künftigen Bewohner. Nach dem Festakt ist allen klar: Nun geht es daran, das Haus stark und gut zu Ende zu bauen. Was zu einer echten Grundsteinlegung gehört? Eine festlich gestimmte Gruppe. Musik. Reden von wichtigen Gästen. Und wohl auch ein guter Trunk. Vor allem aber: Der Grundstein selbst, der dem Fundament beigefügt wird.
Ein „Grundstein“ ist meist hohl und enthält dann ein Blechgefäß, das nur einem einzigen Zweck dient: Eine Urkunde, die Auskunft über das Bauprojekt und seine Erbauerinnen und Erbauer gibt, so geschützt aufzubewahren, dass sie keinen Schaden nimmt und ihr auch Kälte und Feuchtigkeit im Laufe vieler, vieler Jahre und Jahrzehnte nichts anhaben können. Dazu kommen dann meist noch ein paar Tageszeitungen, die eine oder andere Münze. Ein solcher Grundstein ist schon etwas Besonderes: Er ist ein Ort, an dem eine Zeit und ihre Menschen über sich und ihre Welt Auskunft geben. Ohne den Schutz aber, den das Blechgefäß bietet, nähme die aufbewahrte Urkunde, nähmen alle Beigaben den Weg alles Irdischen.
So aber, fest verbunden mit dem Gebäude, kann ein Grundstein denen, die ihn irgendwann finden und öffnen, zum lebendigen Zeitzeugen werden. Und bei denen, die ihn finden, die Sehnsucht nach dem Echten, Beständigen, dem Wahren wecken. Irgendwie liegt es nahe: Das Weihnachtsfest hat etwas von einem Grundstein. In den gewohnten Ablauf des bürgerlichen Jahres mit seinen Festen, mit seinen Arbeits- und Ferienphasen, fügt Weihnachten sich wie selbstverständlich ein. Und das in der ganzen Welt. Das christliche „Fest der Feste“ ist überall verwoben mit beliebtem Brauchtum und traditionsreichen Gebräuchen.
So unterschiedlich aber auch das Weihnachtsfest begangen wird: An seinen Kern rührt keiner. Und dieser Kern ist: Das Loblied auf einen Gott, der in der Menschwerdung seines Sohnes der Welt und ihren Abgründen zur Rettung wird. In den vielen Ausformungen seiner äußeren Gestalt trägt das Weihnachtsfest diese Botschaft unbeirrt fort durch die Epochen und Herausforderungen der Weltgeschichte. Der berühmte Text aus dem Evangelium nach Lukas, der in der Heiligen Nacht verlesen wird, er zeigt genau dies.
Lukas, der Evangelist, benennt Fakten, Namen, er ordnet die Ereignisse um die Geburt Jesu Christi bestimmten, nachweisbaren historischen Ereignissen und Begebenheiten zu. Der Evangelist weiß um den Kaiser, der zum Zeitpunkt der Geburt des Herrn das römische Weltreich regiert: Es ist Kaiser Augustus. Lukas weiß auch um die Amtszeit des Statthalters Quirinius, mit dem er eine Steuerschätzung in Verbindung bringt – die aber vermutlich erst im Jahr 6 n. Chr. stattgefunden hat.
Damit aber löst sich allerdings die Erzählabsicht von dem, was man eine reine Berichterstattung nennen würde. Mag auch die äußere Form der Erzählung mit ihren Hinweisen auf historische Ereignisse und Persönlichkeiten wie ein Bericht erscheinen, Lukas erzählt den Hergang der Ereignisse aus einer Schau auf Jesus, die von einem tiefen Glauben geprägt ist. Das Wissen um historische Tatsachen begegnet einer inneren Sicht, die die Wahrheit in und hinter den Fakten sucht.
Lukas bekennt: Der, der als Kind in der Krippe liegt, ist der Retter der Welt. Die Geschichte von der Geburt Jesu, so eingängig sie ist und mit all ihren Bezügen zur Weltgeschichte unseren Ohren so vertraut klingt, sie ist ein großartiges Glaubensbekenntnis. Lukas stellt die äußeren Ereignisse so dar, dass darin der Wille Gottes sichtbar wird, die Welt in diesem Kind zu retten.
Der Evangelist legt großen Wert darauf, Betlehem, nicht Nazaret, als Geburtstort Jesu herauszustellen. Hier, in der Stadt, in der die Propheten die Geburt des Messias erwarten (Mi 5,1), bringt Maria ihren Sohn zur Welt. Das Evangelium ist sehr behutsam, sehr zurückhaltend: Die Geburt des Herrn wird nicht beschrieben. Ein einziger Vers, ein kurzer Hinweis genügt (Lk 2,7). Darum steht das historische Faktum, die Geburt Jesu, auch nicht im Mittelpunkt der Erzählung.
Ihr Thema ist vielmehr die Ausstrahlung, die dieses Ereignis hat. Aus der Geburtsgeschichte wird eine Verkündigungsgeschichte, in deren Zentrum die Hirten und die Engel stehen. Von den Hirten zu sprechen, mag in den Hörerinnen und Hörern des Evangeliums viele Gedanken wecken – Gott selber ist Hirte, sein Volk, das Volk Israel, ist ein Volk der Hirten (Ez 34, 11-16).
Vielleicht denkt Lukas aber auch an eine völlig normale Situation. Der Dienst der Hirten ist der, in der Nacht bei den Tieren Wache zu halten. In diesen Berufsalltag bricht das Göttliche, in der Gestalt eines Engels, unvermittelt herein. Dass er aus einer anderen Sphäre kommt, wird schnell klar: Die „Herrlichkeit des Herrn“ umgibt ihn, sie erfasst die Hirten, die sich verständlicherweise „sehr“ fürchten (Lk 2,9).
Der Angst steht die „Freude“ (Lk 2,10) gegenüber. Es geht um das Wunder des „Heute“, in dem den Menschen der „Retter“ geboren ist (Lk 2,11). Lukas erzählt das, was er historisch dingfest machen kann, immer aus der Sicht des Glaubens: Gottes Größe und Liebe werden im schutzlosen Kind, mitten in der Welt von Beruf und Familie, offenbar. Jesus ist das große Versprechen Gottes an diese Welt. Er ist Zeichen für sein Erbarmen.
Mehr noch: Er ist die Wirklichkeit dieser Liebe (Lk 2,12). Der zweiteilige Gesang der Engel bekräftigt dies. Die Herrlichkeit Gottes (Lk 2,13) in der „Höhe“ wird den Menschen „auf Erden“ (Lk 2,14) zum Frieden. Und auch hier unterscheidet der Evangelist feinsinnig: Die Engel helfen den Menschen, in dem, was da geschehen ist, das Wunder zu sehen. Aber erst die Rettung durch Jesus bringt den Menschen das Heil.
Die Geburt eines Kindes. Eine junge Familie. Konkrete Zeitumstände. Keine Frage: Der Evangelist Lukas erweist sich als meisterlicher Schriftsteller. Er hat das Evangelium so geschrieben, dass die Frohe Botschaft von der Menschwerdung Gottes zu allen Zeiten verständlich bleibt. Lukas nimmt die geschichtlichen Erkenntnisse und das, was geschehen ist, ganz ernst – und macht daraus ein wundervolles Zeugnis des Glaubens.
Die Weise, wie Lukas von der Geburt des Herrn erzählt, schützt die Botschaft. So kann die Geschichte durch die Weltgeschichte reisen. Nichts kann ihr etwas anhaben. Kein Krieg, kein Hass, kein Verrat. Diese Botschaft versteht Jeder, egal wo und wann. Die Botschaft von der Geburt des Weltenretters, eingewoben in eine kunstvolle Erzählung voller malerischer Details und tröstlicher Andeutungen, sie sagt uns: In diesem Jesus ist das Heil, stellt sich Gott auf immer an unsere Seite, lässt er uns niemals im Stich. Das ist die Weihnacht.
Gottes guter Grundstein im Haus unseres Lebens, dem Sinn, Bestand und immer auch der Himmel verheißen ist: Ein Sinn, der auch in schwierigen Situationen des Lebens Mut macht, die Dinge anzugehen und zu gestalten. Eine Hoffnung, die Freude weckt, dem Leben zu trauen. Weihnachten: Der Grundstein unseres Glaubens, Hoffens und Liebens. Die frohe, bleibende Botschaft von Rettung und Heil im Strom der Zeiten. Das ist die Weihnacht. Ein Gruß aus himmlischer Ferne, und doch so nah. Frohes Fest!