Die ukrainische Regierung nimmt der bis Mai zum Moskauer Patriarchat gehörenden ukrainisch-orthodoxen Kirche ihre bedeutendste Kathedrale in Kiew auf unbestimmte Zeit weg.
Kiew – Die ukrainische Regierung nimmt der bis Mai zum Moskauer Patriarchat gehörenden ukrainisch-orthodoxen Kirche ihre bedeutendste Kathedrale in Kiew auf unbestimmte Zeit weg. Auf Initiative des Kulturministeriums untersagte die staatliche Behörde, die einen großen Teil des weltbekannten Kiewer Höhlenklosters an die Kirche verpachtet, in der dortigen Mariä-Entschlafens-Kathedrale ab 31. Dezember, 21.00 Uhr, das Feiern von Gottesdiensten.
Der Behördenchef teilte dem Abt des Klosters, Metropolit Pawlo, in einem auf Dienstag datierten Schreiben weiter mit, man werde den zum Jahresende auslaufenden Pachtvertrag für die Kathedrale und eine weitere Kirche des Klosters nicht verlängern, weil ab Anfang Januar eine Regierungskommission über die künftige Nutzung des 23 Hektar großen Areals der Abtei mit mehr als 100 Gebäuden berate.
Ab Montag würden die Mariä-Entschlafens-Kathedrale und die Refektoriumskirche nur noch für die Arbeit der Regierungskommission geöffnet. Kulturminister Olexandr Tkatschenko sagte, eine Nutzung der beiden Sakralbauten durch die Kirche sei bis zum Abschluss der Prüfung nicht möglich. Sein Ministerium verwies auf das vom nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat beschlossene Vorgehen gegen religiöse Organisationen, die mit Russland verbunden seien.
In der Ukraine gibt es zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen. Die Regierung unterstützt die erst 2018 gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine und plant auf Weisung von Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj ein Gesetz, das den Weg frei machen soll für ein mögliches Verbot der Ukrainischen Orthodoxen Kirche. Es müsse sichergestellt werden, dass kein vom „Aggressorstaat“ Russland abhängiger Kirchenvertreter die ukrainische Bevölkerung manipuliere und das Land von innen heraus schwäche, so das Staatsoberhaupt Anfang Dezember.
Das im 11. Jahrhundert gegründete Höhlenkloster Petscherska Lawra ist ein Wahrzeichen Kiews und das Hauptheiligtum der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Sie kümmerte sich in den 90er Jahren um den Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten barocken Mariä-Entschlafens-Kathedrale, der Hauptkirche des Klosters. Sie liegt wie die Refektoriumskirche in der sogenannten Oberen Lawra nahe dem Haupteingang zur Klosteranlage. Der Staat verpachtete der Kirche hauptsächlich die Untere Lawra am Hang zum Westufer des Dnjepr. Dort gibt es ein mehr als 600 Meter langes Höhlenlabyrinth sowie unterirdische Gotteshäuser.
Abt-Metropolit Pawlo warnte Selenskyj unterdessen in einem Offenen Brief. Die Geschichte habe gezeigt, dass die „Verfolgung der Heiligen Orthodoxen Kirche und die Entweihung von Heiligtümern nicht nur den Organisatoren und Teilnehmern solcher schändlicher Taten und ihren Nachkommen, sondern auch dem Land, in dem dies geschieht, Probleme und Leid“ bringe.
Der nationale Sicherheitsrat hatte vor wenigen Wochen beschlossen, das Vermögen von Pawlo und anderer Bischöfe der Kirche für fünf Jahre einzufrieren. Zudem wurden ihnen bestimmte Handelsgeschäfte untersagt. Die Geistlichen sollen etwa mit russischen Besatzungsbehörden zusammengearbeitet, „prorussische Narrative“ propagiert oder Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine gerechtfertigt haben.
Die UN-Kulturorganisation Unesco nahm das Höhlenkloster 1990 gemeinsam mit der Kiewer Sophienkathedrale in ihre Liste des Welterbes auf. Die Sophienkathedrale gehört ebenfalls dem Staat. Sie darf nur sehr selten für Andachten genutzt werden. An manchen nationalen Feiertagen betet dort etwa der Staatspräsident gemeinsam mit Religionsvertretern.