Gaby Schukalla-Zeitler sagt, man kann Glücklichen lernen wie eine Fremdsprache. Die Glückslehrerin empfiehlt jedoch fleißiges Üben.
Warum nicht den Jahreswechsel zum Anlass nehmen, sich mit dem eigenen Lebensglück zu befassen? Einen Zeitpunkt, da Menschen einander in der Regel „alles Gute und viel Glück“ wünschen. Welche Fähigkeiten habe ich? Welche Ziele konnte ich schon erreichen? Pflege ich Freundschaften?
Glücklich mache letztlich alles, was im Alltag die Lebensfreude, das Selbstbewusstsein oder die sozialen Kompetenzen fördere, sagt die Expertin. Deshalb suchen die Mittelschüler etwa für jeden Buchstaben ihres Vornamens eine positive Charaktereigenschaft oder spüren mit Hilfe eines Gummibandes, wie im Kreis der eine den anderen hält.
„Es geht vor allem darum, aus der passiven Haltung des Erleidens und Lamentierens herauszukommen und sich aktiv auf die Suche nach Gutem zu begeben“, sagt die Lehrerin. Mitunter verlässt sie mit den Jugendlichen das Schulhaus, um nach Fotomotiven Ausschau zu halten. Nach einem außergewöhnlich geformten Stein etwa oder einer schönen Blume. Die Bilder werden dann in ein Glückstagebuch geklebt, das jeder Schüler individuell gestaltet.
„Wir werden die äußeren Umstände unseres Lebens nie wirklich verändern können“, betont die 60-jährige. „Wir können aber unseren Blickwinkel ändern.“ Zudem besitze jeder die Macht, sich selbst und den anderen mit einem Lob oder einem Lächeln aufzubauen. Dass letzteres glücklich macht, ist wissenschaftlich bewiesen: Sobald die Gesichtsmuskeln nach oben gezogen werden, wird das emotionale Zentrum des Gehirns stimuliert.
Dies setzt Botenstoffe frei, die für einen heiteren Gemütszustand sorgen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein erzwungenes oder spontanes Lachen handelt. Man sollte also nicht nur lächeln, wenn man glücklich ist, sondern auch, um es zu werden, so die Empfehlung. Günstige Zufälle – wie der Gewinn in der Tombola – sind dann „nur noch das Sahnehäubchen oben drauf“, ist die Fachfrau fürs Glück überzeugt.
Die Idee, Kinder im Unterricht zu einer optimistischen Lebenseinstellung anzuleiten, ist nicht neu. Im Himalaya-Staat Bhutan bemüht man sich in den Schulen schon seit Jahrzehnten, die Mädchen und Jungen zu zufriedenen und fröhlichen Persönlichkeiten auszubilden. Zudem wird in dem buddhistischen Königreich an Stelle des Bruttoinlandsprodukts das Bruttonationalglück als Gradmesser für den Erfolg des Landes herangezogen.
Statt das kontinuierliche Wirtschaftswachstum zum Maß politischer und gesellschaftlicher Erfolge zu erklären, fließen in Bhutan etwa der Schutz der Umwelt, der Gesundheitszustand der Bevölkerung oder die Bewahrung von Traditionen ins Bruttonationalglück ein. Eine eigens eingerichtete Glückskommission ermittelt alle fünf Jahre mit umfangreichen Befragungen das Wohlbefinden der Bevölkerung.
Für Schukalla-Zeitler ein beachtlicher Ansatz. Schließlich seien die Deutschen, die trotz aller Krisen immer noch in materiellem Überfluss lebten, kein besonders glückliches Volk. „Viel zu besitzen, schafft meist große Verlustängste. Dem anderen zu helfen oder sich für die Umwelt zu engagieren, lenkt hingegen von den eigenen Sorgen ab“, sagt die Lehrerin. Dabei könnten auch religiöse Motive eine Rolle spielen. Wer das Glück habe, an eine höhere Macht glauben zu können, habe auf der Suche nach Lebensglück einen Wettstreiter an der Seite und könne aus einer großen Kraftquelle schöpfen.
Schon eine einfache Übung – „Glück to go“ genannt – kann helfen, dem Glück täglich einen Schritt näherzukommen: Man steckt sich jeden Morgen zehn Bohnen in die linke Hosentasche. Immer wenn im Laufe des Tages etwas Freude bereitet – das schöne Wetter, das Kompliment eines Kollegen, das gute Mittagessen – wird eine Bohne von der linken in die rechte Tasche gelegt. Ziel ist es, bis zum Abend möglichst viele Bohnen umgelagert zu haben. Wer dann vor dem Schlafengehen seine rechte Tasche leert, kann sich beim Anblick der Bohnen all die positiven Erlebnisse des Tages ins Gedächtnis rufen und mit guten Gedanken einschlafen.