In einem postum veröffentlichten Artikel hat der australische Kardinal George Pell erneut scharfe Kritik an der von Papst Franziskus ausgerufenen Weltsynode geübt.
London – In einem postum veröffentlichten Artikel hat der australische Kardinal George Pell erneut scharfe Kritik an der von Papst Franziskus ausgerufenen Weltsynode geübt. In dem Beitrag für die britische Zeitschrift „The Spectator“ bezeichnete er das Projekt als „toxischen Alptraum“. Ein vom Vatikan erstelltes begleitendes Arbeitsdokument sei „einer der inkohärentesten Texte, der je aus Rom verschickt wurde“. Das Schreiben sei nicht nur „in neomarxistischem Jargon verpackt“, sondern „feindselig gegenüber der apostolischen Tradition“. Grundlegende christliche Lehren würden ignoriert, so der Vorwurf des Kardinals.
Pell war am Dienstag mit 81 Jahren in Rom an den Folgen von Komplikationen bei einer Hüftoperation gestorben. Er war von 2014 bis 2017 als Verantwortlicher für Wirtschafts- und Finanzfragen einer der mächtigsten Männer im Vatikan.
Anfang Oktober 2021 hatte der Papst einen zunächst auf gut zwei Jahre angelegten weltweiten synodalen Prozess gestartet, der kürzlich um ein Jahr verlängert wurde. Dabei sollen Vorschläge gemacht werden, wie künftig das gesamte „Volk Gottes“ an Entscheidungen in der katholischen Kirche beteiligt werden kann. Ferner wird die Frage erörtert, wie die Kirche unter den gesellschaftlichen Bedingungen der Gegenwart ihren Auftrag erfüllen kann. Über diese als „Synodalität“ bezeichnete neue Arbeitsweise sollen im Oktober 2024 in Rom mehrere hundert Bischöfe aus allen Erdteilen final beraten und abstimmen.
Pell hatte sich in den vergangenen Monaten wiederholt kritisch über das Vorhaben geäußert. In dem Artikel, den er kurz vor seinem Tod schrieb, wirft er den Initiatoren einen „Überschwang des guten Willens“ im Zeichen des New Age vor. Namentlich kritisiert er den Generalrelator der Bischofssynode, Kardinal Jean-Claude Hollerich, der die Sexuallehre der Kirche öffentlich in Frage gestellt habe.
Im vatikanischen Arbeitspapier werde an keiner Stelle das Neue Testament als Wort Gottes anerkannt, das für alle Lehren über Glauben und Moral maßgebend sei. Das Alte Testament werde völlig ignoriert, auch die Zehn Gebote würden nicht beachtet. Eine klare Positionierung zu Konfliktthemen wie Abtreibung und Frauenordination fehle. Stattdessen hebe das Dokument übermäßig die Gefahren des Klerikalismus hervor.
Mit Blick auf den weiteren Verlauf der Weltsynode forderte Pell die Beteiligten auf, „sich zu entscheiden, ob sie Diener und Verteidiger der apostolischen Tradition in Glaubens- und Sittenfragen sind“ – oder ob sie sich über fundamentale Aspekte der katholischen Lehre hinwegsetzen wollten.
Der Kardinal, der in der Kirchenhierarchie zu den Konservativen gezählt wurde, versuchte einst als Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariates, mehr Transparenz und Sauberkeit in die Vatikanfinanzen zu bringen. Das brachte ihn in Konflikt mit alten Strukturen und Gewohnheiten anderer Verantwortlicher.
2018 geriet Pell weltweit in die Schlagzeilen, als er von einem Strafgericht in Melbourne wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs ohne Beweise zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. 2020 wurde er in letzter Instanz freigesprochen und aus dem Gefängnis entlassen.
Danach kehrte er nach Rom zurück, wo er am Dienstag überraschend starb. In einem Beileidstelegramm würdigte Papst Franziskus ihn als „treuen Diener“, der mit Entschlossenheit und Weisheit die Grundlagen für die jüngste vatikanische Finanzreform geschaffen habe.