Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck bittet die Mitglieder der katholischen Kirche, sich für die Demokratie stark zu machen und einer radikalen und ganzheitlichen Erneuerung der Kirche den Weg zu bahnen.
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck will dem enormen Vertrauensverlust, dem sich die katholische Kirche seit Jahren ausgesetzt hat, „eine „radikale und ganzheitliche Erneuerung“ entgegensetzen. „Unsere Kirche muss geschlechtergerecht und machtsensibel sein“, schreibt Overbeck in seinem Bischofswort zum neuen Jahr 2023. Dafür bedürfe es einer Struktur, „die es besser ermöglicht, Menschen in ihrer Vielfalt anzuerkennen“, so Overbeck. An erster Stelle stehe allerdings nicht die Struktur der Kirche, sondern der spirituelle Kern des christlichen Glaubens, der lebendig erhalten und weitergegeben werden solle. „Ohne diesen Kern bleibt alles andere hohl und leer. Kirchliche Struktur und spiritueller Kern gehören zusammen, sind miteinander verbunden – unvermischt und ungetrennt.“
Möglichst viele Gläubige sollten gemeinsam danach suchen, wie christlicher Glaube und kirchliches Leben gestaltet werden können. Denn wenn immer mehr Menschen der Kirche den Rücken zukehrten, gehe der Welt viel verloren, „wenn es keine gemeinsame Basis mehr gibt, aus der wir verbindliche Werte schöpfen können“. Der Essener Bischof macht sich nach eigenen Worten stark „für eine Kirche, in der jeder Mensch spürt, von Gott geliebt und gewürdigt zu sein – und in der er ein erfülltes Leben in Freiheit führen kann. Ich mache mich stark für eine Kirche, die widerständig menschlich ist“.
Zugleich bitte der Bischof von Essen die Gläubigen im Ruhrbistum daran mitzuwirken, die Bevölkerung zusammenzuhalten, trotz hoher eigener Belastung solidarisch zu bleiben und die Demokratie zu verteidigen. Ihm sei bewusst, dass die stark steigenden Preise für Lebensmittel und Energie, die drohende Rezession und die Angst vor einer weiteren Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine vielen Menschen sehr ernsthafte Sorgen bereiteten. Angesichts der enormen Herausforderungen habe auch er selbst keinen einfachen Rat. „Wir sollten uns aber nichts vormachen: Es ist das gefährliche Kalkül von Autokraten wie Wladimir Putin, dass wir in schweren Zeiten nicht bereit sind, für unsere Werte einzutreten.“
Overbeck warnt vor der Gefahr von Innen
„Wir sehen derzeit eine stabile europäische Friedensordnung, die uns nach dem Zweiten Weltkrieg geschenkt wurde, in Trümmern vor uns liegen“, schreibt Bischof Overbeck. Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid anderer dürfe jedoch nicht siegen. Die ersten Worte des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, in denen auch der Kerngehalt des christlichen Menschenbildes zum Ausdruck komme, seien „schlicht und einfach nicht verhandelbar“, so Overbeck.
Angesichts des massiven Drucks auf das heutige Leben in Freiheit warnt der Essener Bischof auch vor der Gefahr von Innen „durch jene, die auf die schwierigen Fragen unserer Zeit verlockend einfache und bequeme Antworten anbieten. Diese einfachen Antworten haben alle einen hohen Preis. Sie wollen überzeugen, indem sie das Vertrauen in unsere Demokratie schwächen. Denn sie setzen auf das Recht des Stärkeren und die zerstörerische Kraft der Gleichgültigkeit.“ Christinnen und Christen müssten öffentlich, laut und deutlich für eine robuste Demokratie eintreten, in dem sie die Rechte und Werte verteidigten, die die Gesellschaft stark machen.