Eine zweite Frau hat offenbar den kanadischen Kurienkardinal Marc Ouellet wegen sexuellen Fehlverhaltens beschuldigt.
Lyon/Vatikan – Eine zweite Frau hat offenbar den kanadischen Kurienkardinal Marc Ouellet wegen sexuellen Fehlverhaltens beschuldigt. Dies berichtet die in Lyon erscheinende katholische Wochenzeitung Golias Hebdo in ihrer aktuellen Ausgabe. Das Blatt schreibt von Briefen zwischen dem mutmaßlichen Opfer, Kardinal Gérald Lacroix aus Quebec und dem Vatikan.
Demzufolge schieb Lacroix erstmals im September 2020 in der Angelegenheit an Papst Franziskus. Im Juni 2021 habe der Erzbischof dem mutmaßlichen Opfer berichtet, Ouellet Gegenstand sei einer vorläufigen Untersuchung gewesen, die indes „keinen Grund“ zu einer umfassenderen vatikanischen Untersuchung ergeben hätten. Die Erzdiözese bestätigte gegenüber der in Québec ansässigen Nachrichtenagentur Présence die Echtheit der Briefe.
Ouellet ist von einer Missbrauchs-Sammelklage gegen das Erzbistum Quebec betroffen. Sein Name steht den Berichten zufolge auf einer Liste mit 88 beschuldigten Geistlichen. Es handelt sich um eine Zivilklage von mehr als 100 Personen, die seit 1940 von Priestern und anderen Kirchenmitarbeitern sexuell missbraucht worden sein sollen – die meisten als Minderjährige. Die überwiegende Zahl der Übergriffe ereignete sich demnach in den 1950er- und 1960er-Jahren.
Die Frau in diesem Fall, die bislang nur als „F“ identifiziert wurde, trat in der vorigen Woche erstmals an die Öffentlichkeit: Paméla Groleau sagte, sie fordere „mehr Gerechtigkeit und Transparenz“ in der Kirche, im Namen „der Opfer des Klerus“ und „aller Christen, die ihrer Kirche weh tun und wollen, dass sie von allen Arten von Missbrauch gesäubert wird. damit es seine Relevanz und Glaubwürdigkeit wiedererlangt.“
Groleau behauptet, Ouellet habe sie unangemessen gepackt und ihr ein unangenehmes Gefühl gegeben. Ouellet hat die Vorwürfe bislang zurückgewiesen. Der als konservativer Hardliner bekannte Kurienkardinal will sich gegen den Vorwurf sexueller Übergriffe sogar vor einem kanadischen Gericht wehren und hat Klage wegen übler Nachrede eingereicht. Er fordert einen Schadensersatz von 10.000 Euro. Das Geld wolle er spenden.
Der aktuelle Bericht von Golias Hebdo erwähnt nicht, welche konkreten Handlungen die als „Marie“ bezeichnete Frau dem heutigen Kurienkardinal Ouellet vorwirft. Laut der Zeitung habe sei ein Familienmitglied von „Marie“ von einem Assistenten des Jesuitenpaters Jacques Servais kontaktiert worden. Dieser ist ein Bekannter von Ouellet und war von Papst Franziskus auch beauftragt worden, die von Groleau gegen den Kardinal vorgebrachten Behauptungen zu untersuchen.