Der Vatikan sagt Nein zu einem der Kernelemente des Reformprojekts Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Die Mehrheit der Bischöfe und Laien will trotzdem weitermachen.
Bätzing: Synodaler Ausschuss „nicht infrage gestellt“
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, kündigte daraufhin an, trotzdem an den Plänen festzuhalten. Diese fußen auf Beschlüssen des Reformprojekts Synodaler Weg zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland, das im März endet. Der vorbereitende Synodale Ausschuss sei „durch das römische Schreiben nicht infrage gestellt“, so Bätzing. Auch der Synodale Rat werde sich „innerhalb des geltenden Kirchenrechts bewegen“. Seine Position werde von der Mehrheit der Bischöfe mitgetragen.
Der Rat soll sich als neues bundesweites Beratungs- und Leitungsorgan mit „wesentlichen Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft“ befassen. Dabei sollen Bischöfe, Priester und Laien gemeinsam über kirchliche Grundsatzfragen und über den Einsatz finanzieller Mittel beraten und entscheiden. Der Rat soll die beim Synodalen Weg begonnenen Beratungen zwischen Bischöfen und Laien über zentrale Fragen verstetigen.
Ausdrücklich hält das Schreiben aus Rom mit Blick auf den Synodalen Rat beziehungsweise den Ausschuss fest: Weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine nationale Bischofskonferenz sei befugt, ein Gremium einzurichten, das die Autorität der Bischöfe beschneide. Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke sieht in diesen Formulierungen „das wenig überraschende Aus“ für die geplanten Gremien.
Rückendeckung für Bätzing vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken
Anlass für den Brief war eine – bisher auch den anderen Bischöfen nicht bekannte – Anfrage der Erzbischöfe und Bischöfe von Köln (Rainer Maria Woelki), Eichstätt (Gregor Maria Hanke), Augsburg (Bertram Meier), Passau (Stefan Oster) und Regensburg (Rudolf Voderholzer) an den Vatikan, ob sie verpflichtet seien, an diesem Synodalen Ausschuss mitzuarbeiten. Darauf antwortete nun der Vatikan.
Rückendeckung bekam Bätzing vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), das mit der Bischofskonferenz zusammen den Synodalen Weg 2019 als Reaktion auf den Missbrauchsskandal und die Kirchenkrise ins Leben gerufen hatte. „Das Bischofsamt wird durch den geplanten Ausschuss gestärkt, nicht geschwächt. Ich bin froh zu sehen, dass die überwältigende Mehrheit der deutschen Bischöfe am Synodalen Weg festhält“, erklärte ZdK-Präsidentin Stetter-Karp.
Theologe Thomas Söding, ebenfalls Präsidiumsmitglied des Synodalen Wegs, erklärte: „Der Brief aus Rom setzt eine Grenze. Aber was er ausschließt, ist … gar nicht beschlossen werden. Weder wird die Bischofskonferenz aufgelöst noch de facto einer kirchlichen Oberbehörde namens Synodaler Rat unterstellt.“
Bischof Genn: „Kirche Zukunft eine synodale Kirche“
Der Münsteraner Bischof Felix Genn sagte, er halte daran fest, „dass die Kirche der Zukunft eine synodale Kirche sein muss“. Synodalität werde im Bistum Münster bereits seit vielen Jahren auf sehr unterschiedlichen Ebenen praktiziert und in Zukunft weiter verstärkt. Aachens Bischof Helmut Dieser erklärte, es gebe verschiedene Überlegungen, im Bistum synodale Beratungsformen sicherzustellen, die dem Kirchenrecht entsprechen: „Ein Diözesanbischof hat durchaus das Recht, synodale Beteiligung dementsprechend zu regeln.“
Unterdessen begrüßte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki das Schreiben aus dem Vatikan. Es diene der Klärung, wie die weiteren Gespräche stattfinden können und sollen, erklärte er auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Reformen seien für die katholische Kirche zwar sinnvoll und notwendig, insbesondere zur Verhinderung sexualisierter Gewalt, mögliche Neuerungen müssten aber stets im Einklang und in Einheit mit der Weltkirche stehen. Ähnlich äußerte sich der Augsburger Bischof Bertram Meier. Er nehme den Brief aus Rom sehr ernst. Letztlich gehe es darum, ob der angedachte Synodale Rat, der durch den Synodalen Ausschuss vorbereitet werden soll, dem katholischen Kirchenverständnis entspreche.
Debatte über Reformen in der katholischen Kirche spitzt sich zu – Vatikan zeigt Grenzen auf – Fragen und Antworten
Der Streit über eine Modernisierung der katholischen Kirche in Deutschland hat sich durch einen am Montagabend veröffentlichten Brief aus Rom zugespitzt. Der Vatikan erteilt darin der geplanten Einrichtung eines bundesweiten Synodalen Rates, in dem Bischöfe von Laien überstimmt werden könnten, eine klare Absage. Die wichtigsten Fakten.
Was ist der Synodale Rat?
Der künftige Rat soll sich als neues bundesweites Beratungs- und Leitungsorgan mit „wesentlichen Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft“ befassen. Er soll an die Stelle der Versammlungen des Synodalen Wegs zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland treten. In ihm sollen Bischöfe, Priester und Laien gemeinsam über kirchliche Grundsatzfragen und über den Einsatz finanzieller Mittel entscheiden. Die Vorbereitung des Gremiums liegt in den Händen eines „Synodalen Ausschusses“, der noch gebildet werden muss. Spätestens zum März 2026 soll dann der eigentliche Synodale Rat starten.
Warum ist Rom gegen den Synodalen Rat?
Der Vatikan sorgt sich um die Machtbefugnisse der Bischöfe, insofern mit dem Synodalen Rat eine neue, faktisch übergeordnete bundesweite Leitungsstruktur der katholischen Kirche in Deutschland etabliert würde. Weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine nationale Bischofskonferenz sei befugt, ein Gremium einzurichten, das die Autorität der Bischöfe beschneide. Schon im vergangenen Juli hatte der Vatikan den deutschen Bischöfen mitgeteilt: Der Synodale Weg sei „nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten.“
Wer ist Absender des jüngsten Vatikanschreibens?
Unterzeichnet ist der Brief von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, zweiter Mann im Vatikan nach dem Papst, sowie den Kurienkardinälen Luis Ladaria, Chef der Glaubensbehörde, und Marc Ouellet, Chef der Bischofskongregation. In dem Brief heißt es, Papst Franziskus habe ihn „in forma specifica“ approbiert – das heißt: Der Text hat Rechtsverbindlichkeit.
Warum hat der Vatikan das Schreiben verfasst?
Die Erzbischöfe und Bischöfe von Köln (Woelki), Eichstätt (Hanke), Augsburg (Meier), Passau (Oster) und Regensburg (Voderholzer) hatten sich laut Brief im Dezember mit der Frage an Rom gewandt, ob sie an einem „Synodalen Ausschuss“ teilnehmen müssten und ob sie teilnehmen dürften. Darauf antwortet der Vatikan nun mit dem Schreiben an alle Bischöfe. Der Zeitpunkt scheint bewusst gesetzt: Vom 9. bis 11. März findet die fünfte und letzte Vollversammlung des Synodalen Wegs statt. Das in seiner Form einzigartige Reformprojekt wurde von Anfang an vom Vatikan, aber auch von anderen Bischofskonferenzen, kritisiert.
Können Laienkatholiken in Deutschland schon jetzt mitentscheiden?
Die Beteiligungsformen sind in den Bistümern unterschiedlich. Mancherorts werden Nicht-Kleriker in Beratungsprozesse einbezogen, haben jedoch meist nur wenige Entscheidungsbefugnisse. Am weitesten geht das „Rottenburger Modell“: Im württembergischen Diözesanrat entscheiden die gewählten Basisvertreter nicht nur über wirtschaftliche und finanzielle Fragen mit, sondern auch über Themen der Seelsorge.
Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit kann das Gremium Finanzentscheidungen des Bischofs kippen. Durch den Synodalen Weg angestoßen gibt es inzwischen auch in anderen Bistümern Pläne, Synodale Räte einzurichten. Auch hier schiebt der Brief aus Rom einen Riegel vor. Mehrere Bischöfe erklärten aber, das Kirchenrecht decke die Vorhaben, synodale Beteiligung in den Bistümern zu regeln.
Wie geht es mit dem Synodalen Weg weiter?
Die Spitzen des Synodalen Wegs sehen sich nach eigenem Bekunden durch Rom nicht ausgebremst. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und die Präsidentin des Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Stetter-Karp, kündigten an, weiter an den Arbeiten zu einem Synodalen Ausschuss und Rat festhalten zu wollen. Man bewege sich innerhalb des Kirchenrechts.
Laut Bätzing hat „ein großer Teil“ der deutschen Diözesanbischöfe bekundet, weiter hinter dem Projekt zu stehen. Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke indes sieht in dem Brief aus Rom „das wenig überraschende Aus“ für die geplanten Gremien. Ob die Deutschen es auf einen Showdown mit Rom ankommen lassen, könnte sich bei der abschließenden Versammlung des Synodalen Wegs im März in Frankfurt zeigen.