Der in Bochum lehrende Theologe Thomas Söding wertet den Rücktritt des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode als ein „Signal zum Aufbruch“. In Bode verliere der Synodale Weg zwar einen starken Förderer, aber der Reformprozesse gehe weiter, schreibt Thomas Söding in einem Gastbeitrag für das Neue Ruhrwort.
Am Samstag trat erstmals ein deutscher Bischof zurück im Zusammenhang mit Fehlern beim Umgang mit Missbrauch zurück. Der Rückritt des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode war ein Paukenschlag. Die Folgen scheinen noch längst nicht alle absehbar. Dass Franz-Josef Bode sein Rücktrittsgesuch eingereicht hat, verdient Respekt – und führt zur Forderung nach Transparenz, schriebt der in Bochum lehrende Theologe Thomas Söding. Er wertet den Rücktritt Bodes auch als ein „Signal zum Aufbruch“. In Bode verliere der Synodale Weg zwar einen starken Förderer, aber der Reformprozesse gehe weiter. „Dass Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch des Bischofs von Osnabrück angenommen hat, wirft Fragen auf – und verlangt klare Antworten“, so Söding.
Ein Gastbeitrag von Thomas Söding
Bischof Franz-Josef Bode habe ich als klugen und engagierten Mitstreiter auf dem Synodalen Weg sehr zu schätzen gelernt. Gemeinsam waren wir Vizepräsidenten. Beide haben wir mit der Präsidentin, Irme Stetter-Karp, und dem Präsidenten, Bischof Georg Bätzing, eng zusammengearbeitet. Unser gemeinsames Ziel: auf synodale Weise die systemischen Ursachen des Missbrauchs zu bekämpfen und eine Erneuerung der katholischen Kirche in die Wege zu leiten. Oft haben wir zu zweit die aktuelle Lage kommentiert, Krisen ebenso wie Erfolge. Es wurde immer deutlich, wer Bischof und wer ZdK-Präsidiumsmitglied ist – aber es wurde auch immer deutlich, dass der Synodale Weg ein gemeinsames Projekt ist.
Bodes Rücktritt verdient Respekt – und führt zur Forderung nach Transparenz
Sein Engagement als Vorsitzender des Forums „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ habe ich besonders geschätzt. Er war sich nicht zu schade, im Maschinenraum des Synodalen Wegs mitzuarbeiten. Er hat sich auch für Kompromisse eingesetzt, die anderen schwergefallen sind. Er wollte eine Spaltung der Bischöfe vermeiden; nicht alle haben es ihm gedankt. Die Initiative aus den Reihen der Synodalversammlung, sich im März mit der individuellen Verantwortung im Missbrauchskomplex der katholischen Kirche stark auseinanderzusetzen und sie in die Aktion ‚verantwort:ich‘ im Frankfurter Dom münden zu lassen, hat er auch von Anfang an aktiv begleitet.
Dass Franz-Josef Bode sein Rücktrittsgesuch eingereicht hat, verdient Respekt – und führt zur Forderung nach Transparenz. Franz-Josef Bode hat zwar auch gesundheitliche Gründe angegeben, die es ihm schwermachen würden, die Umsetzung der Reformbeschlüsse im Bistum voranzutreiben. Aber im Kern steht, dass er Konsequenzen aus seinem Führungsversagen ziehen will, das ihm eine Untersuchung der Universität Osnabrück im September 2022 erneut bescheinigt hat: Er hat schwere Fehler im Umgang mit Machtmissbrauch begangen. Er hat diese Fehler eingesehen. Er hat öffentlich eingestanden, mehr die Institution geschützt als Solidarität mit den Betroffenen geübt zu haben. Er hat auch Konsequenzen gezogen: im Bistum Osnabrück und auf dem Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland.
Das Problem ist der einseitige Blick nach Rom
Die Bereitschaft, auf sein Amt zu verzichten, ist von derselben Haltung geprägt, mit der er sich für mehr Transparenz und Kontrolle in der katholischen Kirche, für die Öffnung des Zölibates, für die Rechte von Frauen und für die Veränderung der katholischen Sexuallehre eingesetzt hat. Gibt es andere Bischöfe, die es Franz-Josef Bode nachtun werden oder bereits getan haben? Das Verfahren ist hoch intransparent. Kein Bischof kann einfach erklären, nicht mehr weiterzumachen – und das war es dann. Jeder muss den Papst um die Entpflichtung bitten.
Diese Bitte zu stellen, bleibt eine persönliche Entscheidung. Sie verdient Vertrauensschutz. Aber das Problem ist der einseitige Blick nach Rom. Wo bleibt der Blick ins Bistum? Nach wie vor fehlt es in der katholischen Kirche an einer verbindlichen Form, in der Diözese, vor den Gläubigen, Rechenschaft abzulegen und, wenn es nottut, die Vertrauensfrage zu stellen. In Osnabrück hat sich der Katholikenrat hinter Bischof Bode gestellt. Akzeptanzprobleme, sagt er, hat es eher in der Verwaltung und bei Priestern gegeben. Desto wichtiger ist es, die Anstöße aufzunehmen, die der Synodale Weg im Grundtext „Macht und Gewaltenteilung“ gegeben hat. An der Umsetzung hapert es; alle Bischöfe sind gefragt.
Eine klare Linie ist nicht zu erkennen
Dass Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch des Bischofs von Osnabrück angenommen hat, wirft Fragen auf – und verlangt klare Antworten. Franz-Josef Bode ist synodal engagiert; er ist ein moderater Reformer. Warum wird sein Rücktrittsgesuch angenommen, während das eines der schärfsten Kritiker des Synodalen Weges, des Erzbischofs von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, immer noch in der Schwebe ist? Das Bild in der Öffentlichkeit ist verheerend. Ein genauerer Blick zeigt die Problematik. Der Erzbischof von Hamburg, Stefan Heße, der ebenso wie Franz-Josef Bode wegen Fehlverhaltens in Sachen Missbrauchsbekämpfung seinen Rücktritt eingereicht hatte, sollte nach dem Willen des Papstes im Amt bleiben.
Ähnlich lief es bei Kardinal Reinhard Marx in München, obgleich er bekannt hatte, an einen „toten Punkt“ gelangt zu sein. Heße und Marx haben eine beachtliche Lernkurve hingelegt und unterstützen den Synodalen Weg. Man kann also nicht ohne weiteres sagen, dass Reformer entlassen werden und Bremser bleiben sollen. Aber eine klare Linie ist nicht zu erkennen. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Das Volatile ist exakt das Problem des Klerikalismus in der katholischen Kirche. Ihn überwinden zu müssen, ist weltweit als Schlüsselaufgabe erkannt. Der Synodale Weg in Deutschland hat das Problem analysiert und Lösungswege aufgewiesen. Einen Paradigmenwechsel gibt es bislang nicht.
In Osnabrück besteht jetzt die Chance, das Kirchenvolk an der Bestellung eines neuen Bischofs aktiv zu beteiligen, so wie auf dem Synodalen Weg beschlossen. Es gibt auch die Chance, dass der Papst durch seine Besetzungsvorschläge ein klares Zeichen setzt, den synodalen Prozess voranzutreiben. Das Domkapitel wird aus einer Dreierliste wählen; es darf Volkes Stimme nicht überhören, wenn Osnabrück einen guten neuen Bischof erhalten soll. Mit Franz-Josef Bode verliert der Synodale Weg einen starken Förderer. Jetzt ist keines der vier ursprünglichen Präsidiumsmitglieder mehr im Amt. Aber der Synodale Weg geht weiter. Er trägt sich selbst; denn er ist notwendig und wird von vielen getragen.
Thomas Söding
Zur Person: Thomas Söding
Der Theologe Thomas Söding lehrt an der Ruhruniversität Bochum Neutestamentliche Exegese und ist Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Der 66-jährige Lehrstuhlinhaber ist Mitglieds des Synodalpräsidium, das die Versammlungen des Synodalen Wegs vorbereitet.