Käßmann: Schulerfolg darf nicht von sozialer Situation abhängen

Die evangelische Theologin Margot Käßmann fordert ein gerechteres Schulsystem in Deutschland.

Die evangelische Theologin Margot Käßmann fordert ein gerechteres Schulsystem in Deutschland. „Eltern müssen schon lange vor der Einschulung ermutigt werden, ihr Kind zu unterstützen. Und in Schulen muss dringend investiert werden“, schrieb die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Bild am Sonntag: „Ganztagsschulen samt kostenlosem Mittagessen müssen her. Sozialarbeiter braucht es, die mit Kindern Hausaufgaben machen.“

Käßmann: Viele Eltern wissen zu wenig, wie sie ihre Kinder in der Schule unterstützen können

Es gehe darum, bei allen Kindern die Lust am Lernen zu wecken, fügte sie hinzu: „Unser Land verletzt eklatant seine Pflicht, jedem Kind das Recht auf Bildung zu gewähren. Das muss sich radikal ändern. Nicht irgendwann, sondern jetzt!“

Viele Eltern wüssten zu wenig, wie sie ihre Kinder in der Schule unterstützen können, so Käßmann weiter. Denn sie hätten selbst nicht gelernt, gut zu lernen: „Und ist ein Kind schlecht gekleidet, kommt es aus sozial schwächerem Umfeld, trauen ihm die Lehrer weniger zu. Sind die Eltern Ärztin und Rechtsanwalt, ist das Kind sofort ein Kandidat fürs Abitur.“

Die Theologin erinnerte an ihre eigene Schulzeit. Ihre Eltern hatten beide kein Abitur, wollten dieses aber ihr und ihren beiden Schwestern ermöglichen. Doch leicht sei dies nicht gewesen – weder für die Eltern noch für die Kinder: „Meiner ältesten Schwester sagte eine Lehrerin: ‚Wenn schon die Kinder von Tankstellenpächtern aufs Gymnasium gehen, armes Deutschland!'“

Ifo-Studie: Bildung weiter stark von sozialer Herkunft abhängig ist.

In der letzten Woche wurde eine neue ifo-Studie vorgestellt, nach der Bildung weiter stark von sozialer Herkunft abhängig ist. Der Bildungsabschluss der Eltern, ihr Einkommen und der Migrationshintergrund haben demnach weitreichende Auswirkungen auf die Bildungschancen von Kindern. Unterschiedliche Bildungschancen führten zu sozialen Spannungen und gefährdeten den Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Nur etwa jedes fünfte Kind besucht demnach das Gymnasium, wenn es einen alleinerziehenden Elternteil ohne Abitur hat, aus dem untersten Einkommensviertel mit einem Haushaltsnettoeinkommen unter 2.600 Euro kommt und einen Migrationshintergrund mitbringt. Bei den Kindern, deren Eltern zusammenlebten, selbst Abitur hätten, aus dem obersten Einkommensviertel mit über 5.500 Euro kämen und keinen Migrationshintergrund hätten, sei dies genau umgekehrt, hieß es. Dann besuchten vier von fünf Kindern mit dieser Herkunft das Gymnasium.

Je mehr der Faktoren bei den Eltern zusammenkämen, desto größere Auswirkungen habe dies auf die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasiumbesuchs der Kinder. Bei den genannten Faktoren sei das Einkommen und der Bildungshintergrund der Eltern entscheidender als deren möglicher Migrationshintergrund.

kna