Papst verurteilt in Ungarn Nationalismus – Appell an EU

Mit einer Grundsatzrede vor politischen Vertretern des Landes hat Papst Franziskus seine Ungarnreise begonnen. Dabei verurteilte er einerseits Nationalismus, warnte aber anderseits vor einer allzu homogenen EU.
Mit einer Grundsatzrede vor politischen Vertretern des Landes hat Papst Franziskus seine Ungarnreise begonnen. Dabei verurteilte er einerseits Nationalismus, warnte aber anderseits vor einer allzu homogenen EU.

Papst Franziskus –Foto: © Edips – Dreamstime.com

Papst Franziskus hat in Ungarn Nationalismus verurteilt und an die friedensstiftende Bedeutung einer gemeinsamen europäischen Politik erinnert. „Insgesamt scheint sich die Begeisterung für den Aufbau einer friedlichen und stabilen Gemeinschaft der Nationen in den Gemütern aufgelöst zu haben“, sagte er bei einem Treffen mit Politikern, Vertretern der Zivilgesellschaft und Diplomaten am Freitag in Budapest. Zugleich würden Einflusszonen abgesteckt, Unterschiede hervorgehoben, Urteile anderen gegenüber verschärft und Nationalismen brandeten wieder neu auf. Man habe den Eindruck, „dem traurigen Untergang des gemeinsamen Traums vom Frieden beizuwohnen, während die Einzelkämpfer des Krieges Raum gewinnen“, so das Kirchenoberhaupt.

Bei dem Treffen im ehemaligen Karmeliterkloster in Budapest, dem Amtssitz des nationalkonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban, wandte sich Franziskus gegen die Verfolgung eigener strategischer Interessen in der internationalen Politik. Frieden entstehe durch „Arten von Politik, die fähig sind, das Ganze, die Entwicklung aller, in den Blick zu nehmen“.

Der Papst erinnerte an grundlegende Ziele der Europäischen Union: „Fernstehende zu vereinen, die Völker in ihrem Inneren willkommen zu heißen und niemanden für immer als Feind stehen zu lassen.“ Aber wenn er an die leidgeprüfte Ukraine denke, frage er sich, wo die angemessenen Anstrengungen für den Frieden blieben.

Es brauche in der EU den Beitrag aller, betonte Franziskus. Allerdings dürfe dabei die Einzigartigkeit der Staaten nicht außer Acht gelassen werden. Mit Blick auf Brüssel erklärte er, benötigt werde „ein Ganzes, das die Teile nicht plattdrückt, und Teile, die sich gut in das Ganze integriert fühlen“. Europa dürfe sich nicht „in eine zerfließende, wenn nicht gar gasförmige Wirklichkeit“ verwandeln – „zu einer Art abstrakten Überstaatlichkeit, die das Leben der Völker vergisst“.

Dies wäre aus Sicht des Papstes der „unheilvolle Weg der ‚ideologischen Kolonisierung'“, die Unterschiede auslösche. Als Beispiel nannte Franziskus „die sogenannte Gender-Kultur“ oder Freiheitskonzepte, die sich negativ auswirkten, „indem sie zum Beispiel ein sinnwidriges ‚Recht auf Abtreibung‘ als Errungenschaft rühmen“. Abtreibung sei jedoch immer eine tragische Niederlage.

Stattdessen solle ein Europa aufgebaut werden, das den Menschen in den Mittelpunkt stelle, so der Papst, der „wirksame politische Ansätze für eine bessere demographische Entwicklung und zugunsten der Familie“ forderte. Eine Politik, die etwa Ministerpräsident Orban verfolgt. Familien mit drei und mehr Kindern erhalten in Ungarn neben Kindergeld und anderen Zuwendungen weitreichende Steuerbefreiungen. Zudem gilt in dem osteuropäischen Land ein Verbot von Werbung für gleichgeschlechtliche Beziehungen und das gesetzliche Nein zur „Ehe für alle“.

Solche Aspekte betonte Staatspräsidentin Katalin Novak in ihrer Rede an den Papst und zitierte dabei aus dem ungarischen Grundgesetz. „Wir sind Verbündete. Gemeinsam verteidigen wir das menschliche Leben, die Frau und den Mann als Individuen und als Menschen, die zusammenkommen (…), aber auch die Freiheit von Menschen, die die anders denken und leben“, führte Novak aus.

Mit Blick auf den Krieg im Nachbarland Ukraine forderte sie den Papst auf, sich weiterhin für Frieden einzusetzen: „Sprechen Sie mit Kiew und Moskau, mit Washington, Brüssel, Budapest und mit all jenen, ohne die es keinen Frieden geben kann. Hier in Budapest bitten wir Sie, sich persönlich für einen gerechten Frieden einzusetzen, und zwar so schnell wie möglich.“

Franziskus erinnerte seinerseits die Ungarn an ihre christlichen Wurzeln und die damit verbundenen Werte, beispielsweise bei der Aufnahme von Geflüchteten. Diesem Thema müsse man sich gemeinschaftlich stellen, weil die Folgen Auswirkungen auf alle hätten. „Deshalb ist es dringlich, dass wir als Europa an sicheren und legalen Wegen arbeiten, an gemeinsamen Mechanismen angesichts einer epochalen Herausforderung, die nicht durch Zurückweisung eingedämmt werden kann, sondern angenommen werden muss, um eine Zukunft vorzubereiten, die es, wenn sie keine gemeinsame ist, nicht geben wird“, so der Papst.

Mit der Begegnung im ehemaligen Karmeliterkloster endete der erste und politische Teil des Tagesprogramms von Franziskus. Am frühen Abend ist ein Treffen mit katholischen Kirchenvertretern in der Konkathedrale Sankt Stephan in Budapest geplant. Am Samstag und Sonntag liegt der Schwerpunkt des Programms auf Begegnungen mit sozialem Hintergrund, etwa mit Geflüchteten, Kindern und Jugendlichen.

Von Severina Bartonitschek (KNA)