Wie sieht das Museum der Zukunft aus?

Staubige Vitrinen, überlange Erläuterungen zu einzelnen Preziosen. Das findet sich in kaum einem Museum mehr. Viele Häuser sind seit Langem schon in einem Wandel. Und wollen nun den digitalen Raum erobern.
Das Museum der Moderne „berlin modern“ am Kulturforum soll ein nachhaltiges Haus für alle werden. – Grafik: © Herzog & de Meuron / Louise Bourgeois / Yayoi Kusama

Das Museum der Moderne „berlin modern“ am Kulturforum soll ein nachhaltiges Haus für alle werden. – Grafik: © Herzog & de Meuron / Louise Bourgeois / Yayoi Kusama

Wunderkammern“ die von Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595) im Innsbrucker Schloss Ambras hießen die frühen Vorfahren der modernen Museen. Die Sammlungen sollten die Menschen zum Staunen bringen. Präsentiert wurde allerhand Schillerndes und Kurioses. Edle Steine, Tierpräparate oder christliche Reliquien und alchemistische Apparaturen. Rund ein halbes Jahrtausend später scheint die Grundidee immer noch zu funktionieren. Allein in Deutschland gibt es rund 6.800 Einrichtungen, die im Vor-Corona-Jahr 2019 etwa 112 Millionen Eintrittskarten verkauften.

Doch die Zeiten ändern sich, wie etwa Owen Hopkins in einer kürzlich erschienenen Überblicksdarstellung schreibt. Viele Häuser müssten sich einer Debatte über die Herkunft ihrer Ausstellungsobjekte stellen. Sind sie Nutznießer von Raubkunst, befördern sie Rassismus und kolonialistisches Denken? „Museen sind nicht wertneutral“, betont der britische Architekturhistoriker. Und dann ist da noch der digitale Wandel.

Museen können mit Digitalisierung ein größeres Publikum erreichen

Einerseits können Museen ein größeres Publikum erreichen, indem sie ihre Sammlung ins Internet stellen. Digitalisierung lautet das Stichwort. Andererseits stellt sich die Frage, wozu dann noch der Gang in eine Ausstellung notwendig ist. Digitalität heißt das Zauberwort. Oder, anders gewendet: Was lockt den von Internet und Smartphone verwöhnten Nutzer idealerweise vom Sofa in die Sammlung? Antworten darauf haben Museen aus der ganzen Republik im Rahmen der von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz geleiteten Initiative museum4punkt0 gesucht. Am Mittwoch und Donnerstag wollen die Verantwortlichen in Berlin eine Bilanz ziehen.

Eines lässt sich wohl jetzt schon sagen: Das Museum der Zukunft spielt mit der Neugier im digitalen Raum und geht auch dort auf „Kundenfang“. Das Museum bei der Kaiserpfalz Ingelheim schickt seine Besucher mit dem Smartphone in die Römerzeit. Das Team vom Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz hat das Angebot „Abenteuer Bodenleben“ entwickelt. Mit einer Virtual-Reality-Brille werden Nutzerinnen und Nutzer um das 200-fache auf die Größe einer Landassel geschrumpft. Anschließend begegnen sie sogenannten Bodentieren wie Milben, Springschwänzen und Tausendfüßern – auf Augenhöhe.

„Ping! Die Museumsapp“ des Badischen Landesmuseums bietet den Chat mit einem Objekt im Museum an. Und mit der unlängst für den Deutschen Computerspielpreis nominierten interaktiven Gamestation „Herbst 89 – Auf den Straßen von Leipzig“ lädt das Deutsche Historische Museum in Berlin dazu ein, im Format einer Graphic Novel den 9. Oktober 1989 in Leipzig in sieben unterschiedlichen Rollen durchzuspielen. An diesem Schlüsseltag der Wende gingen über 70.000 Menschen auf die Straße, um gegen das DDR-Regime zu protestieren.

Bund förderte museum4punkt0 mit 30 Millionen Euro

Vielerorts hat der Aufbruch in die digitalen Welten gerade erst begonnen. Das Finale von museum4punkt0 im Berliner Kulturforum am Matthäikirchplatz ist daher folgerichtig als Workshop konzipiert. Vertreter der teilnehmenden Institutionen wollen unter anderem Smartphone-Apps und andere Anwendungen ausprobieren und sich mit anderen Museumsmacherinnen und -machern vernetzen. Das Spektrum ist groß und reicht vom Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf über das Haus der Geschichte in Bonn, das Archäologische Landesmuseum Brandenburg bis hin zum Deutschen Museum in München.

Der Bund förderte museum4punkt0 mit 30 Millionen Euro. Kulturstaatsministerin Claudia Roth betonte zum Auftakt des Finales, die Initiative habe eindrucksvoll gezeigt, „wie mithilfe digitaler Technologien attraktive und barrierearme Zugänge zu Kulturangeboten geschaffen werden können“. Zugleich ist den Beteiligten aber auch klar, dass Apps, Gamestationen oder Virtual-Reality-Brillen keine Selbstläufer sind.

„Digitale Technologien ersetzen den physischen Museumsbesuch nicht“, heißt es auf der Homepage der Initiative. „Ebenso wenig meint digitale Vermittlung die Übersetzung analoger Konzepte ins Digitale. Vielmehr muss Analoges und Digitales zusammengedacht werden.“ Wer authentische Begegnungen mit Natur und Kultur, mit großer Kunst und Geschichte sucht, sollte auch künftig nicht auf einen Gang ins Museum verzichten.

Von Joachim Heinz (KNA)