Russlandexpertin: Patriarch Kyrill zentral für Putins Krieg

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. spielt nach Auffassung der Münsteraner Ostkichen-Expertin Regina Elsner eine zentrale Rolle in Putins Krieg gegen die Ukraine. 
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. spielt nach Auffassung der Münsteraner Ostkichen-Expertin Regina Elsner eine zentrale Rolle in Putins Krieg gegen die Ukraine. 

Patriach Kyrill I. –Foto: © Andrey Kholmov | Dreamstime.com

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. spielt nach Auffassung der Münsteraner Ostkichen-Expertin Regina Elsner eine zentrale Rolle in Putins Krieg gegen die Ukraine. Er habe einen wesentlichen Anteil daran, dass der Krieg in der russischen Bevölkerung eine solch große Unterstützung finde, sagte die Lehrstuhlinhaberin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster im Interview der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“ (Donnerstag). „Seine wichtigste Funktion ist im Moment, die Gesellschaft weiter zu mobilisieren, dass sie nicht den Glauben an Putins Waffengang verliert.“

Elsner kritisierte, das Papst Franziskus immer noch versuche, die Brücke zum Moskauer Patriarchat und damit zu Kyrill aufrechtzuerhalten. Auch im Ökumenischen Rat der Kirchen setze man offenbar weiter darauf, dass man mit dieser Kirchenleitung nach dem Krieg weiterarbeiten werde wie früher. „Man erkennt eben auch nicht an, dass nicht nur Kyrill an der Rechtfertigung dieses Krieges beteiligt ist, sondern die gesamte Kirchenleitung.“

Die Theologin bescheinigte Kyrill eine zunehmende Radikalisierung seit dem Überfall Russlands auf die Krim 2014. Anfangs habe er darauf geachtet, gute Kontakte zum Westen zu halten und lediglich „krankhafte“ Auswüchse westlicher Liberalität zu geißeln. Mittlerweile gehe er viel weiter, als es die Solidarität mit Putin erfordere – etwa in dem Versprechen, dass allen russischen Kämpfern, die in der Ukraine fallen, sämtliche Sünden vergeben werden. „Aus theologischer Sicht ist das hanebüchen“, so Elsner.

Die Ostkirchen-Expertin sieht bei Kyrill starke eigene Machtinteressen. „Er unterwirft sich der politischen Elite, um seine Machtposition und die damit verbundenen Privilegien nicht zu verlieren.“ Anders als Putin gehe es dem Patriarchen aber nicht um politische Grenzziehungen. Es gehe ihm um den geistigen Einfluss der Kirche, die vermeintliche Rettung der Zivilisation und einen Endkampf zwischen Gut und Böse. „Bereits Ende der 1990er-Jahre entwickelte er seine ideologischen Hauptgedanken, dass der entscheidende Kampf zwischen liberalen und traditionellen Werten stattfinden wird“, sagte Elsner. In Kyrills Denken spiele das biblische Buch der Apokalypse eine zentrale Rolle. „In seiner Doktrin ist das heilige Russland die letzte moralisch saubere Bastion, die den Antichrist noch aufhalten kann.“

Nach den Worten von Elsner ist unbestritten, dass Kyrill schon zu Sowjetzeiten für den Geheimdienst arbeitete. Den westlichen Kirchen bescheinigt sie Naivität im Umgang mit ihm. Sie hätten ihn als Brücke zur Orthodoxie betrachtet und dabei ignoriert, dass es „nach dem Untergang der Sowjetunion überhaupt keinen Bruch von russischer Seite gab, keine Aufarbeitung der Kollaborationen. Kyrill hat  sich sehr gewieft angepasst und verstanden, die  Kontinuität zu wahren“. Zum Verhältnis zwischen Putin und Kyrill sagte sie, beide seien von einem Milieu geprägt worden, in dem Konspiration, Denunziation und Hinterzimmerpolitik und auch Gewalt zum Beruf gehörten.

kna