Forscher: Konservative Christen nutzten Corona-Proteste

Insbesondere traditionalistische Katholiken konnten aus Forschersicht von Protesten gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen in Frankreich profitieren.

Insbesondere traditionalistische Katholiken konnten aus Forschersicht von Protesten gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen in Frankreich profitieren. Obwohl innerhalb der Kirche eine Minderheit, hätten gerade kleine und militante Gruppierungen durch die Demonstrationen ein „größeres Schaufenster“ gehabt und damit gezielt junge Menschen ansprechen können, erklärte der französische Politologe Yann Raison du Cleuziou am Mittwochabend in Paris.

Konservative Katholiken gegen staatliche Einmischung

Der an der Universität Bordeaux lehrende Forscher äußerte sich beim Podium, „Pandemie, Freiheit, Staat. Coronaproteste in Deutschland und Frankreich zwischen sozialen und spirituellen Motiven“, das gemeinsam vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster, dem Deutschen Historischen Institut Paris und dem Pariser Goethe Institut organisiert wurde.

Laut Raison du Cleuziou wandten sich die konservativen Katholiken im Zuge der Proteste gegen traditionelle französische Prinzipien wie die strikte Trennung von Staat und Kirche. Staatliche Einmischung in religiöse Belange, wie etwa die Einschränkung von Messen, wurden abgelehnt. Die Kritik habe sich aber auch gegen die französischen Bischöfe gerichtet, die den staatlichen Maßnahmen folgeleisteten. „Die Traditionalisten haben das als zu schnellen Gehorsam gegenüber dem Staat wahrgenommen“, so Raison du Cleuziou. Insgesamt hätten sie „Religiöse Werte wichtiger als Gesundheit“ eingeschätzt.

Damit unterschied sich die Motivation der Demonstrationen leicht von denen esoterisch geprägter Gruppen in Deutschland, wie die Basler Soziologin Nadine Frei erläuterte. Die Forscherin hat den Angaben zufolge vor allem Demonstrationen im südwestdeutschen Raum analysiert. Anders als bei den konservativen Katholiken in Frankreich habe es in diesem esoterischen Milieu eine stärkere Romantisierung der Natur gegeben. Dabei standen „natürliche Selbstheilungskräfte gegen die Künstlichkeit der Pharma-Industrie“, wobei sich die Vorbehalte insbesondere gegen die Impfung gerichtet hätten.

Demonstrationen aus „pubertärem Freiheitsverständnis“

Generell seien bei den Demonstrationen weniger existenzielle Gründe als vielmehr ein „pubertäres Freiheitsverständnis“ vordergründig gewesen, so die Wissenschaftlerin. Die staatlichen Einschränkungen seien als überflüssig wahrgenommen worden, da Covid-19 aus Sicht der Demonstranten „kein gefährliches Virus“ sei. „Da hat es einen verschwörungstheoretischen Dreh bekommen: Da muss etwas anderes dahinter stecken“, erklärte Frei. Maßnahmengegner sahen sich so als „kritische Expertinnen“ und „heroische Widerstandskämpferinnen“.

kna