Wie konnte ein Kleinwagen ins Zentrum des Vatikans eindringen?

Von außen wirkt der Vatikan wie eine Festung. Und doch konnte ein offenbar geistig verwirrter Autofahrer am Donnerstagabend bis ins Zentrum der Macht vordringen. Die Sicherheit lässt zu wünschen übrig.
Von außen wirkt der Vatikan wie eine Festung. Und doch konnte ein offenbar geistig verwirrter Autofahrer am Donnerstagabend bis ins Zentrum der Macht vordringen. Die Sicherheit lässt zu wünschen übrig.

–Foto: pixabay

Ein Kleinwagen fährt mit Vollgas und quietschenden Reifen durch das Besucher-Tor des Vatikanstaates. Schweizer Gardisten können ihn nicht aufhalten. Schüsse hallen zwischen den hohen Mauern. Ein Vatikan-Gendarm feuert gezielt auf die Reifen des Fahrzeugs, doch es fährt ungebremst weiter. Der Notfallalarm wird ausgelöst, das strategisch wichtige interne Tor mit dem Namen „Portone della Zecca“ schließt gerade noch rechtzeitig. Damit ist der Weg zu den vatikanischen Gärten und zum Gästehaus Santa Marta verschlossen. Dort wohnt der Papst.

Der Fahrer muss jetzt abbiegen und kann nur noch Richtung Damasus-Hof weiterfahren. Normalerweise nehmen Politiker in gepanzerten Limousinen diesen Weg, wenn sie zur offiziellen Papstaudienz in den Apostolischen Palast wollen. In dem monumentalen Innenhof kommt das Fahrzeug zum Stehen. Der Fahrer steigt aus und wird sofort festgenommen.

Was nach Aufnahmen aus einem James-Bond-Film klingt, ist am Donnerstagabend kurz nach 20 Uhr in Rom tatsächlich passiert. Da der psychisch gestörte Eindringling offenbar unbewaffnet war, ist der Vatikan ohne erkennbare Schäden davongekommen. Doch der Vorfall hat schlagartig Sicherheitslücken im kleinsten Staat der Welt offenbart. Wäre das Auto kein Fiat Panda, sondern ein mit Sprengstoff beladener Lieferwagen gewesen, hätte ein Attentäter das Gebäude, in dem sich das vatikanische Staatssekretariat befindet, schwer beschädigen und – je nach Tageszeit – viele Menschen töten oder verletzen können.

Interne Alarmkette im Vatikan hat funktioniert

Immerhin hat die interne Alarmkette so gut funktioniert, dass der direkte Weg in Richtung der aktuellen Papstwohnung rechtzeitig verschlossen war. Der Papst selbst und auch der hintere Teil des Petersdoms mit dem Altar über dem Grab des Apostels Petrus waren also in Sicherheit. Dennoch dürfte der Vorfall Auswirkungen auf die Sicherheitsarchitektur des Vatikans haben. Denn dass ein Fahrzeug ungebremst bis ins Zentrum der Macht vordringt, muss eigentlich verhindert werden.

Neben Einführung von technischen Nachrüstungen, etwa mit zusätzlichen hochfahrbaren Stahl-Pollern, dürfte auch die Struktur der internen und externen Sicherheits-Truppen diskutiert werden. Denn die ist relativ kompliziert. Im Vatikan sind die Gendarmerie des Kleinstaates und die Schweizergarde für die Sicherheit zuständig, unterstehen aber getrennten Kommandos. Auf dem Petersplatz sowie im unmittelbaren Umfeld sind römische Polizisten und italienische Carabinieri zum Schutz des Papstes und der öffentlichen Ordnung im Einsatz.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Einheiten im Vatikan und im Umfeld immer wieder aufgerüstet. Am deutlichsten nach dem islamistischen Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York, denn danach wurde auch der Vatikan als mögliches Ziel von Terroranschlägen genannt.

Schutz hat nur begrenzte Wirkung

Seither haben zudem die italienischen Streitkräfte rings um den Vatikan mehrere mit Maschinengewehren bewaffnete motorisierte Sicherheitsposten eingerichtet. Sie sollen im Ernstfall die nur mit Handfeuerwaffen ausgestatteten Polizeieinheiten auf dem Petersplatz sowie die leicht bewaffneten Gardisten und Gendarmen im Vatikan bei der Abwehr von Bedrohungen unterstützen.

Doch der Vorfall vom Donnerstag zeigt, dass auch dieser Schutz nur begrenzte Wirkung hat. In unmittelbarer Nähe zum Anna-Tor, das der Eindringling mit seinem Kleinwagen mühelos durchquerte, ist das militärische Aufgebot der italienischen Streitkräfte besonders massiv. Genutzt hat es nichts.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)