Sich der eigenen Endlichkeit zu stellen, gehört nach Worten des Trierer Philosophen Werner Schüßler zum Menschsein dazu.
Trier – Sich der eigenen Endlichkeit zu stellen, gehört nach Worten des Trierer Philosophen Werner Schüßler zum Menschsein dazu. „Tod und Leid lassen wir oft nur dann an uns herankommen, wenn sie sehr nah sind, bei Angehörigen oder bei uns selbst“, sagte Schüßler in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sein Buch „Gott unter Anklage – Von Hiob bis Covid-19“ ist vor kurzem erschienen.
Die Frage, „wie ein allmächtiger und allgütiger Gott mit alle dem Leid und Bösen in der Welt zu vereinbaren ist“, stelle sich letztlich jeden Tag, sagte der Autor. Ins gesellschaftliche Bewusstsein dringe das Leid jedoch meist erst durch Großereignisse vor: „Dann kann man sich nicht so abschotten, dass es einen nicht berührt.“ Dies zeige sich momentan angesichts von Pandemie, Klimawandel und dem Krieg in der Ukraine. „Das brüchige Fundament des Daseins, das in früheren Generationen allgegenwärtig war, bricht wieder auf.“
Krisen könnten zu einer Besinnung auf das Wesentliche führen, fügte Schüßler hinzu. „Viele Menschen beschreiben am Lebensende, wie wichtig ihnen Liebe und Nähe sind. In existenziellen Situationen zeigt sich, dass es im Leben nicht nur um Fun geht, sondern auch darum, die Fragen zu beantworten, die das Leben an mich stellt.“
Der Philosoph warnte zugleich vor einer Verklärung von Leid: „Das wäre nicht gesund.“ Auch gebe es keine pauschale Antwort auf die Frage, wie man Menschen in Krisensituationen unterstützen und trösten könne. Häufige sei jedoch die innere Einstellung „eine Stellschraube“. So sei es vielen Menschen wichtig, „dass sie im Fall einer schweren Erkrankung nicht nur als ‚der Kranke‘ wahrgenommen werden. Das heißt, sie distanzieren sich von der Krankheit und richten sich auf etwas aus, das vielleicht dennoch Sinn geben mag.“
Auch für die Kirchen könnten Krisen ein Signal dafür sein, „sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. In der Religion geht es um den Sinn des Seins und um Hoffnung. Die Kirche ist dann relevant, wenn sie Antworten auf existenzielle Fragen und Zweifel hat, wenn sie die Leere füllen kann.“ In der öffentlichen Debatte rückten jedoch häufig andere Themen in den Vordergrund. Schüßler: „Wir leben in einer Welt des Vorwärts; es soll immer vorangehen, aber das hat seine Grenzen. An diesem Punkt können die Kirchen ansetzen.“