Expertin: Missbrauchsfälle auch gesellschaftlich aufarbeiten

Die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen betrifft nach Worten der Psychologin Silke Gahleitner die gesamte Gesellschaft.

Die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen betrifft nach Worten der Psychologin Silke Gahleitner die gesamte Gesellschaft. „Sie muss auf drei Ebenen stattfinden: auf individueller, auf institutioneller, aber auch auf gesellschaftlicher Ebene“, erklärte Gahleitner am Samstag in Wesseling bei Bonn. Die Professorin für Klinische Psychologie gehört seit dem vergangenen Sommer zur Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.

Dass das Bewusstsein dafür noch nicht ausreichend vorhanden sei, zeige sich etwa in der massiven Enttäuschung vieler Betroffener über den rechtlichen Umgang mit ihnen. Auch sei es zwar positiv, dass viele Institutionen auf Präventionsprogramme setzten, so die Expertin: „Das ist aber nicht die Lösung, um vergangene Fälle aufzuarbeiten.“ Die Dynamiken, die in der Vergangenheit zu Missbrauch geführt hätten, würden nicht über Prävention aufgelöst, erklärte Gahleitner. Dagegen, sich derartige Fehler einzugestehen, gebe es noch immer viel Widerstand.

Aufarbeitung von Missbrauch nicht gleichzusetzen mit Dokumentation

Aufarbeitung sei nicht gleichzusetzen mit Dokumentation einerseits und Therapie für Betroffene andererseits. Auch Betroffene mahnten immer wieder, dass jene Strukturen aufgedeckt werden müssten, die entsprechende Vorfälle überhaupt erst ermöglicht hätten. „Staat und Gesellschaft müssen proaktiv auf Betroffene zugehen, um Vertrauen wiederzugewinnen“, betonte die Expertin.

Sie äußerte sich beim Fachtag „Mitgefühlsbasierte Psychotherapie“ des Gezeiten Hauses. Die Veranstaltung fand aus Anlass des 80. Geburtstags der Psychiaterin Luise Reddemann statt, die als eine der führenden Traumaforscherinnen in Deutschland gilt.