Vatikan-Lobby gegen Gendern und LGBTQ?

Der Vatikan hat einen Aktionsplan für wissenschaftliche Studien zu Familie und Ehe gestartet. Sein Ziel: Die christliche Botschaft zu Familie deutlicher verkünden. Bei der Gelegenheit verdeutlicht Papst Franziskus einmal mehr: Familie sei die Verbindung zwischen Mann und Frau.
Vatikan-Lobby gegen Gendern und LGBTQ? Der Vatikan hat einen Aktionsplan für wissenschaftliche Studien zu Familie und Ehe gestartet. Sein Ziel: Die christliche Botschaft zu Familie deutlicher verkünden. Bei der Gelegenheit verdeutlicht Papst Franziskus einmal mehr: Familie sei die Verbindung zwischen Mann und Frau.

(Symbolfoto: Gerd Altmann/Pixabay)

Seelsorgende in katholischen Gemeinden sollen sich bei der Begleitung von Familien künftig stärker auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen können. Erarbeiten sollen diese nach dem Willen des Vatikans katholische Forschungseinrichtungen. Die vatikanische Familienbehörde startete vergangene Woche einen „Family Global Compact“, der Studien zum Thema Familie an katholischen Universitäten weltweit fördern will.

„Ziel ist es, Synergieeffekte zu erreichen, damit die Familienpastoral in den Teilkirchen wirksamer von den Ergebnissen der Forschung sowie der Lehr- und Ausbildungstätigkeit an den Universitäten Gebrauch machen kann“, teilte Papst Franziskus in einer Botschaft zum Start der Initiative mit.

Hinter der theoretisch wirkenden Übereinkunft sieht die römische Tageszeitung „Il Messaggero“ den Versuch, eine Lobby katholischer Universitäten „gegen die Gender-Kultur“ zu errichten. Tatsächlich kommen die Themen Gender und LGBTQ im Grußwort des Papstes nicht vor. Sehr wohl schreibt Franziskus jedoch, die Familie sei „ein unersetzliches und unauflösliches Band zwischen Mann und Frau, ein Ort der Begegnung von Generationen“. Der „Family Global Compact“ solle eine „Kultur der Familie und des Lebens in der Gesellschaft“ fördern, „damit nützliche Vorschläge und Ziele für die öffentliche Politik formuliert werden können“.

Grundsätzlich sieht Franziskus die Lebensform der Familie – also das „Band zwischen Mann und Frau“ – in der heutigen Zeit in Gefahr. Familiäre Beziehungen stünden im Kontext von Krisen: So sei etwa mangelnde Unterstützung durch die Gesellschaft ein Grund dafür, dass „viele junge Menschen die Ehe ablehnen und sich für unbeständigere und unverbindlichere Formen von affektiven Beziehungen entscheiden“. Die Kirche dürfe sich nicht damit abfinden, dass die Familie im Zuge von Ungewissheit, Individualismus und Konsumdenken zugrunde gehe, warnt der Papst.

Die Themen „traditionelle Familie“ und Beziehungen der Generationen – Kinder, Eltern und Großeltern – sind Franziskus ein großes Anliegen. Dabei betont er durchaus die Notwendigkeit, alle Menschen in die katholische Seelsorge einzubeziehen, spricht im Zusammenhang mit queeren Katholiken von „Kindern Gottes“ und ermutigt zu einer „Kultur der Begegnung“. Zugleich lässt er keinen Zweifel daran, aus welchen Teilen eine Familie für ihn besteht.

Seine erste Weltbischofssynode tagte 2014 und 2015 zum Thema Ehe und Familie. In seinem anschließenden Schreiben „Amoris laetitia“ fordert Franziskus zwar mehr Barmherzigkeit, hält er aber an den geltenden Normen zu Ehe und Familie fest. „Es wird nicht mehr in aller Klarheit wahrgenommen, dass nur die ausschließliche und unauflösliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau eine vollkommene gesellschaftliche Funktion erfüllt, weil sie eine beständige Verpflichtung ist und die Fruchtbarkeit ermöglicht“, schreibt Franziskus.

Zwar gebe es eine große Vielfalt familiärer Lebenssituationen, „die einen gewissen Halt bieten können“. Aber, so der Papst: „Keine widerrufliche oder der Weitergabe des Lebens verschlossene Vereinigung sichert uns die Zukunft der Gesellschaft.“ Für die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe gebe es im Plan Gottes „kein Fundament“. Die Gender-Lehre bezeichnet er als eine radikale Ideologie, die das natürliche Verhältnis von Mann und Frau leugne.

Bis Mitte letzten Jahres fand ein Aktionsjahr zu Ehe und Familie statt, um die Inhalte des Papstschreibens „Amoris laetitia“ in Erinnerung zu rufen. Dafür sorgen aber auch rechtskonservative Politiker vor allem aus westlich geprägten Ländern. Sie schmücken sich gerne mit dem im Allgemeinen sehr beliebten Kirchenoberhaupt in der Öffentlichkeit.

Medienwirksam trat etwa die unverheiratete Mutter und italienische Regierungschefin Giorgia Meloni mit Franziskus bei einer Veranstaltung zur Geburtenrate in Italien auf. Dort warben beide für mehr Kinder. Franziskus erklärte in Hinblick auf Italien und Europa: „Wenn wenige Kinder geboren werden, gibt es wenig Hoffnung. Und das hat nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Gesellschaft, sondern bedroht das Vertrauen in die Zukunft.“ Zugleich kritisierte er, es sei kein allgemein anerkannter und unterstützter Wert mehr, Kinder zu bekommen.

Meloni betonte, dass ihre Regierung ein familienfreundliches Klima schaffen wolle. Das gilt für sie aber nur für das traditionelle Vater-Mutter-Kind-Gefüge. Das Recht auf Adoption durch homosexuelle Paare, das bislang von Gerichten von Fall zu Fall entschieden wurde, soll nun nicht mehr möglich sein. Eine Eintragung gleichgeschlechtlicher Elternpaare bei Neugeborenen wurde untersagt. Das Kind eines homosexuellen Paares hat somit nur einen Elternteil, der andere Partner ist rechtlos.

In Ungarn gilt ein Verbot von Werbung für gleichgeschlechtliche Beziehungen und das gesetzliche Nein zur „Ehe für alle“. Familien mit drei und mehr Kindern werden hingegen besonders gefördert. Bei Franziskus‘ Besuch im April bezeichnete ihn die ungarische Präsidentin Katalin Novak – wie schon Regierungschef Victor Orban zuvor -, als einen „Verbündeten“ bei der Verteidigung des Lebens und der Ehe von Mann und Frau.

In ihrer Anwesenheit würdigte der Papst dann auch die ungarische Familienpolitik. „Wie schön ist es, ein Europa aufzubauen, das den Menschen und die Völker in den Mittelpunkt stellt, in dem es wirksame politische Ansätze für eine bessere demografische Entwicklung und zugunsten der Familie gibt, die in diesem Land aufmerksam durchgeführt werden.“

Offenbar hat Franziskus selbst schon so häufig über Familien gesprochen, dass er mittlerweile nach Erziehungstipps gefragt wird. Bei einem Auftritt in einer italienischen Fernsehsendung bat die Moderatorin etwa um Ratschläge zum elterlichen Umgang mit Kindern allgemein und im besonderen mit aggressiven Heranwachsenden. Seine Antwort: Viel spielen, Grenzen aufzeigen und natürlich viel Liebe.

Professioneller sollen diese Tipps nun mit dem „Family Global Compact“ werden, initiiert von der Vatikan-Familienbehörde und der Päpstlichen Akademie für die Sozialwissenschaften. Das Aktionsprogramm sei aus ernsthaften Überlegungen zu den Herausforderungen entstanden, vor denen Familien überall auf der Welt stünden, teilte der Leiter der Familienbehörde, Kardinal Kevin Farrell, mit. Die christliche Botschaft zur Familie müsse deutlich verkündet werden. „Wir müssen jedoch wissen, wie wir dies effektiver tun können“, so Farrell.

Von Severina Bartonitschek und Anita Hirschbeck (KNA)