Welche Frieden wollen wir?

„Es gibt keinen gerechten Krieg“ titelt ein Transparent vor der Messehalle. Dazu die Skulptur zweier Hände, die eine Waffe zerlegen. Aber ist es für Christen so einfach, Frieden zu schaffen? Ein Podium sucht Antworten.

„Es gibt keinen gerechten Krieg“ titelt ein Transparent vor der Messehalle. Dazu die Skulptur zweier Hände, die eine Waffe zerlegen. Aber ist es für Christen so einfach, Frieden zu schaffen? Ein Podium sucht Antworten.

Flüchtende Ukrainer an der Grenze zu Ungarn. –Foto: © Janossygergely | Dreamstime.com

Für den heiligen Augustinus gab es im fünften Jahrhundert durchaus gute Gründe, einen gerechten Krieg zu führen. So müsse die richtige Absicht gegeben sein und auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel geachtet werden. Auch dürfe eine solche militärische Auseinandersetzung letztlich nur die ultima ratio sein. Argumente, die selbst in heutiger Zeit durchaus vertraut klingen. Kein Wunder, dass Kritiker dem Kirchenvater vorwerfen, mit solchen Grundsätzen lasse sich letztlich jeder Krieg rechtfertigen.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine überschattete schon den Stuttgarter Katholikentag im vergangenen Jahr. Nun ist er auch dominantes Thema auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Dort stand eines der Hauptpodien unter dem Titel „Welchen Frieden wollen wir?“ Kirchentagspräsident Thomas de Maiziere, vormals Bundesverteidigungsminister, zeigte in seinem Impulsreferat die tiefe Dimension der ethischen Debatte rund um deutsche Waffenlieferungen auf.

Die Sache sei kompliziert, räumte er ein: „Für Hurra-Rufe in die eine oder andere Richtung, ist diese friedensethische Frage gänzlich ungeeignet. Christen müssen sich schwertun mit der Anwendung von Gewalt, wer denn sonst?“ Friedrich Kramer, Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), verwies darauf, dass Jesus bewusst den Weg der Gewaltlosigkeit gegangen sei. Er selbst halte es aufgrund der deutschen Vergangenheit für falsch, dass russische Soldaten nun wieder durch deutsche Waffen sterben würden.

Die Landesbischöfin von Baden, Heike Springhart, räumte ein, dass es ihr nicht leicht über die Lippen gehe, diesen Krieg als letzte Möglichkeit zu akzeptieren. Vor allem bleibe die Frage, wie werde dieser zu Ende gehen und wie lasse sich dann der Frieden umsetzen? Der Skandal aber sei, dass Christen gegen Christen kämpften. „Diesen Krieg mit christlichen Argumenten zu rechtfertigen – das ist Sünde“, betonte die Bischöfin.

Sven Giegold (Grüne), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsminister, sah gleichfalls beide Seiten. Doch die Ukrainer seien nun mal die Opfer und die müssten unterstützt werden – „um der Friedensordnung Willen“, so der Protestant. Die Ukraine habe eigens auf Atomwaffen verzichtet, unter der Zusage, dass der Westen an ihrer Seite stehe. Als einstiger Europa-Parlamentarier erinnerte er daran, dass die EU oft zuvor nicht wirklich auf die jungen Demokratien im Osten und ihre Ängste gehört habe. Wenn man zulasse, dass die Ukraine verliere, dann seien andere Staaten als nächste dran.

Der Generalinspektor der Bundeswehr, Carsten Breuer, erklärte sachlich nüchtern, Russland führe einen Angriffskrieg, den es jederzeit beenden könne. Und was die ethische Diskussion auf dem Kirchentag betreffe, diese werde aus einer „Luxusposition“ heraus geführt. Jüngst habe er seinen militärischen Counterpart in der Ukraine getroffen und gespürt, welche Verantwortung auf dessen Schultern laste. Dieser müsse eine Verteidigung organisieren, die überhaupt wieder Leben in diesem Land möglich mache.

Wenn der Westen die Ukraine nicht mit Waffen unterstützt hätte, wäre der Krieg vermutlich zu Ende, so Breuer. „Aber die Ukraine wäre unter dem Joch Russlands. Der Krieg wäre vorbei, das Leiden für die Menschen ginge weiter und würde größere Bahnen ziehen.“ Kramer plädierte indes für Waffenstillstand und Verhandlungen. Giegold entgegnete, es werde ständig noch weiter geredet: „Bisher aber völlig erfolglos bei dem Aggressor.“

Und was passiert mit dem von 2007 stammenden EKD-Papier „Lehre vom gerechten Frieden“? Braucht es eine neue Fassung? Landesbischöfin Springhart zeigte sich offen dafür. Denn evangelische Ethik sei ein immer fortschreitender Erkenntnisprozess der konkreten Bedingungen „unter denen wir uns befinden, mit den Inhalten des christlichen Glauben“. Es sei für Ethik keine Krise, sondern der Normalfall an einem solchen Papier zu arbeiten, sonst würde dieses zu einer ideologischen Normschrift. Was allen Christen unbenommen bleibt, ist das tägliche Gebet für den Frieden, zu dem Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, am Ende aufrief.

Von Barbara Just (KNA)