Vor dem Landgericht Traunstein beginnt am Dienstag der zweite Schadensersatzprozess eines Missbrauchsopfers gegen die katholische Kirche in Deutschland.
Traunstein/Köln – Vor dem Landgericht Traunstein beginnt am Dienstag der zweite Schadensersatzprozess eines Missbrauchsopfers gegen die katholische Kirche in Deutschland. Ein Mann aus Oberbayern fordert 300.000 Euro Schmerzensgeld vom Erzbistum München-Freising sowie 50.000 Euro von den Erben des früheren Papstes Benedikt XVI. Diese Klage wird allerdings vom Verfahren abgetrennt und gesondert behandelt. Der Grund: Bisher ist unklar, ob jemand das Erbe des Verstorbenen antritt.
Der Sprecher der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, der Prozess könne Signalwirkung für Hunderte weiterer Missbrauchsopfer haben, die bislang vergeblich auf eine angemessene Entschädigung durch die katholische Kirche gewartet hätten. Traunstein und die Entscheidung des Landgerichts Köln aus der vergangenen Woche könnten der Beginn einer Klagewelle gegen die Bistümer sein.
Die Botschaft dieser Verfahren laute: „Ihr habt eine Chance auf Entschädigung“, sagte Katsch. Betroffene, die nicht den schwierigen Weg einer Klage gehen wollten, rief er auf, zumindest die bisher von der Kirche gezahlten Anerkennungsleistungen in ihrer Höhe zu überprüfen. Die Bischöfe hätten immer argumentiert, diese Zahlungen orientierten sich an der Obergrenze der von Gerichten zugesprochenen Schmerzensgelder. Daran könne man die Kirche jetzt messen.
Im bisher ersten Fall dieser Art war vergangene Woche das Erzbistum Köln verurteilt worden. Es soll 300.000 Euro Schmerzensgeld an einen anderen Missbrauchsbetroffenen zahlen. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig.
Die freiwilligen Zahlungen der katholischen Kirche an Missbrauchsbetroffene lagen nur selten über 100.000 Euro. In den ersten zwei Jahren erhielten Betroffene im Mittel rund 22.000 Euro pro Antrag. In etwa acht Prozent der Fälle seien aber mehr als 50.000 Euro gezahlt worden, mitunter auch mehr als 100.000 Euro. Anders als bei Gericht genügt für diese Leistungen allerdings, dass die geschilderten Übergriffe gegenüber einer Kommission plausibel gemacht werden können. Ein Beweis und eine Verhandlung wie vor Gericht sind nicht erforderlich.