Eine Art Verfassungsreform hat Franziskus der katholischen Kirche verordnet: Neben Papst und Bischöfen soll künftig auch das „Volk Gottes“ mitberaten, wenn es um die Kirche geht. Nun sind weitere Themen hinzugekommen.
Vatikanstadt – Just während in Deutschland Konflikte unter Bischöfen zu einer Blockade bei der Fortsetzung des Synodalen Wegs geführt haben, gibt es aus Rom Signale einer inhaltlichen Öffnung für die Weltsynode im Oktober. Das am Dienstag im Vatikan vorgestellte Arbeitspapier für die Versammlung von Bischöfen, Ordensleuten und Laien aus allen Erdteilen enthält in seinem Fragenteil viele „heißen Eisen“. Sie waren bereits in der Vorbereitungsphase in den verschiedenen Erdteilen thematisiert worden.
Die Frage des Priesterzölibats wird ebenso offen angesprochen wie ein mögliches Diakonat der Frau, die Integration sexueller Minderheiten ebenso wie die Überwindung des Klerikalismus. Noch vor wenigen Jahren wäre ein vergleichbares Arbeitsdokument für eine Weltbischofssynode genauso undenkbar gewesen wie die von Papst Franziskus verfügte Öffnung der Synodalversammlung für Laien, darunter 40 Frauen.
Wie es dazu kam, dass nun auch inhaltliche Themen ihren Weg ins Arbeitspapier fanden, ist ein offenes Geheimnis. Zwar betonten die beiden Vordenker der Weltsynode, der maltesische Kardinal Mario Grech und der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich, im Vorfeld immer wieder, dass es bei der Synode im Oktober nicht um inhaltliche Themen und schon gar nicht um innerkirchliche Reform-Agenden gehen solle.
Doch hatten sie bereits durch das aus dem Alten Testament stammende Motto für die kontinentale Vorphase („Mach den Raum deines Zeltes weit!“) dafür gesorgt, dass aus der synodalen „Methode des gemeinsam Unterwegsseins und Beratens“ beinahe zwangsläufig eine Erweiterung des Anspruchs entstand: Wenn die Kirche viele einlädt, sich mit ihr auf den Weg zu machen, dann kann sie nicht vorab erst einmal Menschen in bestimmten Lebenssituationen beurteilen, manche aussieben und andere für gut heißen.
Und so bekam die seit Jahren vom Papst immer wieder beschworene synodale Methode zwangsläufig eine moralische und schließlich auch eine dogmatische Komponente. Sie schlug sich bereits in den meisten der sieben „Kontinental-Papiere“ im Frühjahr nieder. Deren Ergebnisse wurden nun im Arbeitspapier als ein „wertvoller“ Schatz präsentiert, den die Weltsynode nicht einfach wegwerfen dürfe. Dies gilt auch für die Frage nach dem Umgang mit Menschen, die als wiederverheiratete Geschiedene, als Angehörige sexueller Minderheiten oder als Polygamisten in offenem Widerspruch zur Morallehre der Kirche leben.
Die Kardinäle Hollerich und Grech betonten bei der Vorstellung des Papiers vor internationalen Medien am Dienstag in Rom, dass es dennoch nicht um die Lehre der Kirche gehe, sondern bloß darum, niemanden a priori von der synodalen Weggemeinschaft auszuschließen – auch die Sünder nicht. Hollerich erinnerte dabei an Jesus als Vorbild, der ebenfalls mit Zöllnern und anderen Sündern zu Tisch gesessen habe – von denen sich dann am Ende manche bekehrten.
Grech betonte, die Fragen in dem Arbeitsdokument seien keine Vorgaben der römischen Zentrale. Man wisse aus der kontinentalen Vorphase, dass es diese Fragen gebe. Hollerich fügte hinzu, die Synodenteilnehmer könnten vielleicht auch noch weitere Fragen aufwerfen und debattieren.
Dem italienischen Synoden-Berater Pater Giacomo Costa blieb es vorbehalten, erstmals offiziell die neue Wortschöpfung „Synodenmütter und -väter“ zu gebrauchen, um zu unterstreichen, dass allein sie darüber entscheiden werden, welche Fragen sie im Oktober diskutieren wollen. Doch ist es nach der inhaltlichen Öffnung im Arbeitsdokument schwer vorstellbar, dass die Synodalversammlung im Oktober dahinter zurückfällt. Wenn sie sich, wie ursprünglich gedacht, allein auf die Frage beschränkte, welche Beratungsstrukturen es künftig in der katholischen Kirche geben soll, wäre der Enthusiasmus, der die Synode bislang begleitete, wohl rasch verpufft.