Der künftige oberste Glaubenshüter im Vatikan, Erzbischof Victor Fernandez, hat Versäumnisse im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gegen einen Priester eingeräumt.

Der Petersdom im Vatikan (Foto: Carlo Armanni/Pixabay)
Bonn – Der künftige oberste Glaubenshüter im Vatikan, Erzbischof Victor Fernandez, hat Versäumnisse im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gegen einen Priester eingeräumt. Als er 2018 mit dem Fall erstmals konfrontiert worden sei, habe er sich an das damals geltende Kirchenrecht gehalten, sagte er im Interview des Online-Portals katholisch.de (Freitag). “Wenn Sie mich fragen, ob ich heute wieder genauso handeln würde: Ich glaube nicht”, sagte Fernandez: “Aber damals gab es andere kirchliche Vorgaben, heutzutage sind die vorgesehenen Prozesse Gott sei Dank wesentlich besser.”
Kurz nachdem er im Juni 2018 sein Amt als Erzbischof von La Plata in Argentinien antrat, sei der Fall strafrechtlich neu aufgerollt worden. “Ich bat den Priester, dass er jeden Kontakt mit Minderjährigen vermeidet, und einige Monate später, dass er sein Priesteramt nicht mehr öffentlich ausübt”, berichtete der 60-Jährige: “Er wurde von uns sogar zu einer Einrichtung der Caritas geschickt, wo ihn ein Arzt untersuchte.”
2019 soll sich der beschuldigte Priester durch Suizid einer Verhaftung durch die Polizei entzogen haben. “Das war das härteste Jahr meines Lebens”, erklärte der Erzbischof. Heute würde er “viel drastischere Maßnahmen früher treffen”, auch wenn er so der Justiz vorgreife. Er habe den Priester allerdings nicht verteidigt: “Wenn die Opfer mich gefragt haben, ob ich ihnen glaube, habe ich immer Ja gesagt.”
Fernandez wird die Nachfolge von Kardinal Luis Ladaria als Leiter des sogenannten Dikasteriums für die Glaubenslehre Mitte September antreten. Die Behörde entscheidet über Lehrfragen der katholischen Kirche und ist eine der wichtigsten der römischen Kurie. Auch kirchliche Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs durch Geistliche sind dort angesiedelt.
Diesen Teilbereich wird Fernandez jedoch nicht persönlich leiten. “Das erscheint mir sehr vernünftig, wenn man bedenkt, dass ich kein spezialisierter Kirchenrechtler, sondern ein Theologe bin”, sagte er katholisch.de. Die Aufgabe habe jedoch weiterhin hohe Priorität, und seine neue Behörde werde sie mit großem Einsatz und viel Arbeit angehen.