Die Bibelzitate an der Kuppel des Berliner Stadtschlosses sind nach Ansicht des evangelischen Theologen Richard Schröder nie eine Provokation gewesen.
Frankfurt/Berlin – Die Bibelzitate an der Kuppel des Berliner Stadtschlosses sind nach Ansicht des evangelischen Theologen Richard Schröder nie eine Provokation gewesen. „Friedrich Wilhelm IV. hätte zudem seine geliebte Schlosskapelle niemals als Litfaßsäule für politische Losungen missbraucht. So stillos war er nicht. Politische Losungen an offiziösen Gebäuden kamen erst im 20. Jahrhundert in Mode“, schreibt der frühere Vorstandsvorsitzende der Deutschen Nationalstiftung in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Montag).
Der vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) aus Bibelversen zusammengesetzte und beim Wiederaufbau des Schlosses rekonstruierte Schriftzug lautet: „Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“
Das Humboldt-Forum brachte unlängst auf dem Schlossdach eine Erläuterungstafel zur Kuppel und zu ihrer Inschrift an. Schröder zufolge ist die Interpretation irrig, dass der König damals mit der Inschrift die Revolutionäre hätte provozieren wollen. Auch aus praktischen Gründen: Die Inschrift sei damals wie heute von der Straße aus nicht vollständig lesbar, nur vom Dach aus.
„Die Deutung der Inschrift als Provokation dürfte wohl vor allem am Kniebeugen Anstoß nehmen“, schreibt Schröder. „Aber Niederknien ist eine mehrdeutige Geste. Ein Sieger kann einen Besiegten auf die Knie zwingen, als Demütigung und Entwürdigung. Es gab aber auch den Kniefall Willy Brandts vor dem Denkmal für die Opfer des Warschauer Ghettos, der gar nichts mit Entwürdigung oder Selbstwürdigung zu tun hatte.“
Auch die Aussage, dass der König „sich nur Gott verpflichtet fühle“, sei in der Inschrift nicht zu finden. „Je mehr sich Konfessionslosigkeit verbreitet, umso mehr gerät in Vergessenheit, wie Christen ihr Gottesverhältnis verstehen“, erläutert Schröder. „Nach biblischem Verständnis dürfen diejenigen, die sich Gott verpflichtet wissen, nicht das Recht beugen und namentlich nicht das Recht der Schwachen ohne Beistand.“
In der Tat habe Friedrich Wilhelm IV. sich durch Gott zum König berufen verstanden, so Schröder. „Er hat das aber nicht, wie das die Erläuterung des Humboldt-Forums nahelegt, als Freibrief für Willkür verstanden, sozusagen nihilistische Rücksichtslosigkeit mit Berufung auf Gott, sondern als Herrschaftsmandat, für dessen Ausübung er dem Mandator, Gott, Rechenschaft schuldet. Also Herrschaft in der Verantwortung vor Gott.“