Spektakuläre Funde: Neros Blattgold und knöcherne Rosenkränze

Archäologen haben die Überreste des privaten Theaters von Kaiser Nero gefunden. Eine Sensation. Galt es doch bislang als verschollen.
Spektakuläre Funde: Neros Blattgold und knöcherne Rosenkränze

(Symbolfoto: Peggy Choucair/Pixabay)

Rom – Mit spektakulären Wandbemalungen wirkt das erste Geschoss des Palazzo della Rovere wie ein spätmittelalterliches 3-D-Kino. Der Maler Pinturicchio hat mit seinen Schülern Säle voller räumlicher Illusionen geschaffen. Auf Wunsch eines einflussreichen Kardinals Ende des 15. Jahrhunderts erbaut, beherbergt der Renaissance-Palast heute den Stammsitz des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Prachtvoll ging es auf dem heutigen Gelände in der Via della Conciliazione aber wohl schon in der Antike zu. Bei Ausgrabungen im Innenhof des großen Gebäudekomplexes knapp 200 Meter vor dem Petersplatz haben Archäologen die Überreste des privaten Theaters von Kaiser Nero gefunden. Eine Sensation. Galt es doch bislang als verschollen.

Von seiner möglichen Existenz zeugten lediglich Schriften antiker Autoren. So sollte es in den Gärten der Agrippina am Westufer des Tibers liegen, damals außerhalb der Stadtmauern. Das prächtige Villenanwesen zog sich einst vom Fuß des Gianicolo-Hügels über das Gebiet des Vatikans bis zum Tiberufer. Die nun gefundenen Überreste liegen nur einen Steinwurf entfernt von dem von Kaiser Nero vollendeten Zirkus, der sich auf der heutigen Fläche von Petersdom und Petersplatz befand. Es ist der Ort, wo der Apostel Petrus im Jahr 64 wahrscheinlich sein Martyrium erlitt. Zeuge dieser Vergangenheit ist noch heute der große Obelisk vor der päpstlichen Basilika; er stand einst in der Arena des Zirkus.

Vermutlich ist Nero selbst aufgetreten

Im Innenhof des Palazzo della Rovere in fünf Metern Tiefe entdeckten die Forscher nun Teile des Theaters: die linke Seite des halbkreisförmigen Sitzbereichs und einige weitere Räume, die vermutlich als Lager für Kostüme und Kulissen dienten. Zwei rechtwinklig angeordnete Gebäude blickten auf einen großen, unüberdachten Hof, vermutlich umgeben von Säulengängen. Berechnungen auf Grundlage der Funde zufolge könnte das Theater einen Durchmesser von 42 Metern gehabt haben. Ein Großteil des ehemaligen Gebäudes liegt verborgen unter den umliegenden Straßen und Bauten. Von vergangener Pracht zeugen weiße wie farbige Marmorsäulen sowie mit Blattgold überzogener Stuck.

Vermutlich ist in dem Theater der künstlerisch interessierte Nero selbst vor geladenen Gästen aufgetreten. Hier könnte er gesungen, Khitara gespielt oder Gedichte vorgetragen haben. Die Forscher vermuten, der berühmte Herrscher könnte es zudem als Proberaum für Auftritte vor größerem Publikum in anderen Theatern genutzt haben. Ob es auch der Ort war, von dem Nero im Jahr 64 auf den großen Brand von Rom geschaut hat? Aufgrund der Pracht der Funde, der verwendeten Materialien und der Zeitstempel auf den Ziegeln, sind sich die Archäologen ziemlich sicher, dass es sich um das verschollene Teatro handelt. Weitere Gewissheit sollen die Ergebnisse einer eingehenden Untersuchung aller gefundenen Artefakte bringen.

Das Theater selbst war kein Bau für die Ewigkeit. Spuren deuten darauf hin, dass es schon in den ersten Jahrzehnten des folgenden Jahrhunderts abgebaut wurde. Das Material wurde anderweitig benötigt. Damit ist die Geschichte des Ortes aber nicht vorbei. Zugleich fanden die Archäologen neue Hinweise auf Pilgeraktivitäten im Mittelalter. Vermutlich wurden an der Stelle auch Besucher aus dem nordeuropäischen Raum beherbergt. Unter den Artefakten befinden sich einige Exemplare von Kelchen mit Glassäulen, die als wertvolle liturgische Ausstattungen zu deuten sind.

Fund von halb fertigen Rosenkränzen

Außerdem entdeckten die Forscher Hinweise auf umfangreiche Devotonialenproduktion für die Wallfahrer zum Petrusgrab. Funde von bearbeiteten Knochen, halb fertige Rosenkränze und Matrizen lassen darauf schließen. Neben Krügen und Keramik sowie Pilgerabzeichen wurden zudem eine Reihe von Straßen entdeckt, die mehrfach um- und neugebaut wurden, um die Gläubigen zum Apostelgrab zu leiten. Damit können mittelalterlichen Pilgerfahrten rekonstruiert werden.

Drei Jahre dauerten die Ausgrabungen. Nach Abschluss der Arbeiten soll das Grabungsgelände wieder verschlossen werden. Die gefundenen Gegenstände werden einen Platz in einem Ausstellungsraum des Palazzos erhalten. Die prunkvolle Tradition des Ortes wird indes fortgesetzt. Ab 2025 sollen Gäste eines Luxushotels über den Theaterruinen und Pilgerspuren wandeln können. Der Ritterorden hat Teile seines einen Häuserblock umfassenden Gebäudes an die Kette „Four Seasons“ vermietet. Die umfassenden Renovierungsarbeiten sollen pünktlich zum Heiligen Jahr 2025 beendet sein. Zu diesem Anlass werden in Rom etwa 45 Millionen Besucher erwartet.

Von Severina Bartonitschek (KNA)