Chef der Kassenärzte will Praxisschließungen aus Protest

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, fordert die Ärzte in Deutschland auf, ihre Praxis mal für eine Woche zu schließen.
Chef der Kassenärzte will Praxisschließungen aus Protest

Symbolbild von Bruno /Germany auf Pixabay

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, fordert die Ärzte in Deutschland auf, ihre Praxis mal für eine Woche zu schließen. „Wären Praxen eine Woche zu, würde sich die Politik wohl sehr schnell bemühen, eine Lösung mit der Ärzteschaft zu finden“, sagt Gassen im Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Darin bezeichnet er die Lage der ambulanten medizinischen Versorgung in Deutschland als „nicht mehr sicher“.

Gassen äußerte sich anlässlich einer Protestaktion, zu der am Freitag rund 800 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten nach Berlin gekommen waren. Sie warnten vor einem „Praxenkollaps“ und forderten eine stärkere politische Unterstützung für den ambulanten Bereich. „Wenn jetzt nicht etwas für die ambulante Versorgung getan wird, wird es in spätestens zwei bis drei Jahren nicht mehr möglich sein, alle Menschen in Deutschland zu versorgen. Dann sind nicht mehr ausreichend niedergelassene Ärztinnen und Ärzte da“, unterstrich der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Den Ärzten geht es in Gehaltsverhandlungen darum, einen angemessenen Inflationsausgleich zu bekommen, der aus ihrer Sicht in den vergangenen Jahren ausgeblieben ist. „Politik und Kassen stellen sich aber hin und tun so, als wäre jede Forderung nach einer adäquaten Finanzierung unbotmäßig. Zugleich werden in den Krankenhausbereich Milliarden reingepumpt. Das ist per se auch nicht falsch, aber zu einseitig“, sagte Gassen.

Aus seiner Sicht gibt es zwei Möglichkeiten, die Versorgungsengpässe im ambulanten Bereich auf lange Sicht in den Griff zu bekommen: „Wir steuern den Patienten über den Geldbeutel; das ist effektiv, eventuelle Härten kann und muss man sozial abfedern. Oder wir steuern über den Arzt, dann kann nicht mehr jeder einfach überall hingehen. Was sicher aber nicht funktioniert: dass wir über den Patientenwunsch steuern, also dass Patienten ohne medizinische Kenntnisse ihren medizinischen Bedarf definieren.“

Zuvor hatten auch Vertreter der Ärzteorganisation Hartmannbund erklärt, bei der Politik und den Krankenkassen sei man mit Klagen über die schwierige Situation der Arztpraxen überwiegend auf taube Ohren gestoßen. „Gebellt haben wir lange genug. Jetzt müssen wir zeigen, dass wir gegebenenfalls auch beißen können“, erklärte der Vorsitzende des Hartmannbund-Arbeitskreises „Ambulante Versorgung“, Marco Hensel. In Deutschland gibt es nach Angaben der KBV etwa 100.000 Praxen mit rund 185.000 Ärzten und Psychotherapeuten.

kna