Die Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa hält es für unmöglich, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über einen Friedensschluss zu verhandeln.
Münster – Die Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa hält es für unmöglich, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über einen Friedensschluss zu verhandeln. Ohne Waffen sei kein Frieden in der Ukraine zu erreichen, sagte die russische Menschenrechtsaktivistin am Mittwochabend im Dom von Münster. „Indem man auf Verhandlungen drängt, unterstützt man in Wirklichkeit die russische Aggression“, so die Gründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial. „Hinter dem unglaublich schönen Wort Frieden verbirgt sich oft die Kapitulation vor Putin.“
Russland führe einen traditionalistischen und postkolonialen Krieg gegen die Ukraine, führte Scherbakowa aus. „Terror als Herrschaftsinstrument war integraler Bestandteil der sowjetischen Wirklichkeit.“ Die Bevölkerung habe dies nachhaltig verinnerlicht. Die Vorstellung zur Zeit von Präsident Michail Gorbatschow, aus der Vergangenheit lernen und eine Demokratie aufbauen zu können, habe sich als Illusion erwiesen. Schon bald seien das Ende des Kalten Krieges und der Zerfall der Sowjetunion als Niederlage gesehen worden.
Die repressive Politik des Regimes hat sich laut der Menschenrechtlerin seit Kriegsbeginn verschärft. Keine Woche vergehe ohne Gerichtsurteile und Verhaftungen von Kritikern. Im russischen Fernsehen dominiere eine beispiellose aggressive Propaganda. Putin selbst warte mit einer Vielzahl „schlammiger Mythen“ im Hinblick auf die Geschichte auf, welche die Bevölkerung beeinflussten und zur Akzeptanz des Krieges beitrügen. „Ich habe keine Erwartungen an Friedensinitiativen“, unterstrich Scherbakowa.
Sie warnte davor, Putin als Verrückten zu sehen. „Der Angriff auf die Ukraine war kein Anfall von Wahnsinn, sondern entsprach der Logik des Regimes.“ Die Korruption sei das Wesen des paternalistischen Systems, das auf Angst, Hass, Gefühllosigkeit und Menschenverachtung setze.
„Zu unserem Entsetzen wird der aggressive Krieg von der russisch-orthodoxen Kirche unterstützt“, kritisierte Scherbakowa. Die staatliche Propaganda mit ihrer falschen Behauptung, in der Ukraine gebe es nur Nazis, habe viele Leute erreichen können. Dabei spiele die jahrelange Abhängigkeit vieler vom Staat eine große Rolle. Eine Hoffnung, dass aus der Putinschen Elite heraus eine Änderung komme, habe sie deshalb nicht. „Das Regime hat noch genug Kraft, diesen Krieg fortzusetzen, und bereitet die Menschen auf einen endlosen Krieg vor“, so Scherbakowa.
Sie sprach in der diesjährigen Reihe „DomGedanken“. Diese stand unter dem Motto „Krieg! Und Frieden?“.