Kirche in Polen spricht Familie selig

Von den Eltern bis zum ungeborenen Baby ermordeten die Nazis 1944 in Polen eine ganze Familie – weil sie Juden versteckt hatte. Nun wurden die Ulmas seliggesprochen.
Kirche in Polen spricht Familie selig

Warschau (Symbolfoto:Websi/Pixabay)

Die katholische Kirche hat die polnische Familie Ulma seliggesprochen, die Juden während des Zweiten Weltkriegs auf ihrem Bauernhof versteckte und deshalb 1944 von den deutschen Besatzern erschossen wurde. Der Leiter der Vatikanbehörde für Heiligsprechungen, Kardinal Marcello Semeraro, gab die Seligsprechung des Landwirts Jozef Ulma, seiner im siebten Monat schwangeren Frau Wiktoria sowie der sechs Kinder im Alter von eineinhalb bis acht Jahren am Sonntag bei einem Gottesdienst in Markowa im Südosten Polens, dem Heimatdorf der Familie, bekannt. Papst Franziskus hatte die Ermordung der neun Familienmitglieder als Martyrium anerkannt. Bei seinem Mittagsgebet auf dem Petersplatz in Rom würdigte er sie als christliche Vorbilder in dunkler Zeit.

Rund 30.000 Menschen waren in Markowa zu der Messe unter freiem Himmel gekommen, darunter etwa 1.000 Priester, 80 Bischöfe und Polens Oberrabbiner Michael Schudrich sowie Staatspräsident Andrej Duda und Regierungschef Mateusz Morawiecki. Semeraro sagte in seiner Predigt: „Im Zeugnis und im Martyrium der Ulmas und ihrer Kinder entdecken wir die Größe der Familie, den Ort des Lebens, der Liebe und der Fruchtbarkeit neu.“ Den neuen Seligen könnten als Fürsprechern bei Gott Hoffnungen, Freuden, Nöte und Sorgen anvertraut werden.

Die katholische Familie Ulma schützte eineinhalb Jahre lang acht Juden und Jüdinnen auf ihrem Bauernhof vor der Deportation in ein nationalsozialistisches Vernichtungslager und der Ermordung. Verraten haben soll sie ein Mann aus einem Nachbarort. Ihm hatte eine versteckte jüdische Familie ihren Besitz anvertraut. Die Nazis ermordeten die acht Juden und Jüdinnen noch vor der Familie Ulma.

Die Familie gilt in Polen als Symbol für die Hilfe für Juden und des Märtyrertums während der deutschen Besatzung. 2016 eröffnete Präsident Duda in Markowa ein Familie-Ulma-Museum zu Ehren der Polen, die Juden vor dem Holocaust retteten. Seit 2018 ist der Jahrestag der Ermordung der Familie Ulma, der 24. März, auf Beschluss Dudas ein nationaler Gedenktag für die polnischen Judenretter. Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem verlieh den Ulmas 1995 den Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“.

Beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz sagte Papst Franziskus: „Eine ganze Familie wurde von den Nazis ausgelöscht, weil sie verfolgten Juden Unterschlupf gewährten. Sie setzten dem Hass und der Gewalt jener Zeit die Liebe des Evangeliums entgegen. Diese polnische Familie war ein helles Licht in der Dunkelheit des Zweiten Weltkriegs. Mögen sie für uns alle ein Vorbild sein, das wir nachahmen wollen.“

Duda dankte Franziskus für die Seligsprechung. „Danke von ganzem Herzen, dass Sie auf die historische Wahrheit jener Zeit, auf das Schicksal der Polen und Juden unter deutscher Besatzung hingewiesen haben“, sagte das Staatsoberhaupt in einer fast 20-minütigen Ansprache bei der Seligsprechungsfeier. In Polen wird seit Jahren über das Verhalten der eigenen Bevölkerung während des deutschen Völkermords an den Juden diskutiert. Für viel Unmut sorgt der Vorwurf, Polen seien für den Holocaust mitverantwortlich.

Laut dem Vizechef des staatlichen Instituts des nationalen Gedenkens, Mateusz Szpytma, ermordeten die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg fast 1.000 Polen, weil sie Juden halfen und vor dem Holocaust retten wollten. Der Staat Israel zeichnete bislang mehr als 7.200 Polen für die Rettung von Juden als „Gerechte unter den Völkern“ aus – so viele wie aus keiner anderen Nation.

Von Oliver Hinz (KNA)