Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat dem Westen geraten, den Blick der Osteuropäer stärker wahrzunehmen.
München – Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat dem Westen geraten, den Blick der Osteuropäer stärker wahrzunehmen. „Das westliche Europa braucht etwas von dem Geist der Zuversicht und der Freiheitsliebe, der etwa im Baltikum, in Polen, aber auch in Moldau vorherrscht“, sagte Gauck laut Redemanuskript am Dienstagabend in München beim Festakt zum 30-jährigen Bestehen des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine gelte es aus der Geschichte zu lernen: „Wir müssen jene unterstützen, die bereit sind, ihre Freiheit zu erkämpfen, oder wie jetzt – zu verteidigen.“
Gauck rief dazu auf, dafür zur Not auch erhebliche finanzielle Opfer zu erbringen. Noch wisse man nicht, auf welche Weise dieser Krieg enden werde. „Wir wissen aber, was auf dem Spiel steht – für die Ukraine, aber eben auch für uns, für die freien Nationen insgesamt.“ Russland habe die liberalen Demokratien in der EU und der Nato zu Feinden erklärt. Kriegsziel des Kreml sei nicht zwingend die physische Zerstörung, sondern die innere Aushöhlung „unserer Strategiefähigkeit, unseres Willens und unserer Werte“.
Russland habe die Kriegsführung auf nicht-militärische Ansätze ausgedehnt, erklärte der einstige Bundespräsident. Dazu gehörten Desinformation und Propaganda, wirtschaftliche, kulturelle und humanitäre Sabotage. Auch Drohungen mit Atomwaffen zählten dazu. „Als wehrhafte Demokratien müssen wir uns an diese Herausforderung anpassen und Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wir dürfen nicht in Angst erstarren.“ Menschen könnten ihre Ängste besiegen, wie vor über 30 Jahren in den Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs.
Seit seiner Gründung hat Renovabis nach eigenen Angaben knapp 26.000 Projekte mit mehr als 842 Millionen Euro gefördert. Das Hilfswerk ist in 29 ehemals kommunistischen Ländern aktiv. 2022 erzielte das Hilfswerk das beste Spendenergebnis seiner Geschichte und nahm einschließlich Kollekten sowie Erbschaften 14,9 Millionen Euro ein.