Rechtsanwältin: Brauchen Gerichte gegen sexualisierte Gewalt

Opfer von sexualisierter Gewalt brauchen aus Sicht der Berliner Rechtsanwältin und Autorin Christina Clemm eigene Gerichte, die über ihre Fälle berät.
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Opfer von sexualisierter Gewalt brauchen aus Sicht der Berliner Rechtsanwältin und Autorin Christina Clemm eigene Gerichte, die über ihre Fälle berät. „Es gibt Steuerstrafgerichte, Finanzgerichte und Kammern, die nur Mord und Totschlag behandeln, also Schwurgerichtssachen. So etwas brauchen wir auch bei geschlechtsbezogener Gewalt“, sagte die Fachanwältin für Familien- und Strafrecht im Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Anwältin, die nach eignen Angaben seit 25 Jahren vor allem Frauen vertritt, die durch ihren Partner Gewalt erlebt haben, kritisiert, dass das Thema geschlechtsspezifischer Gewalt noch zu wenig in der juristischen Ausbildung präsent sei. „Viele kommen das erste Mal damit in Berührung, wenn sie nach dem zweiten Staatsexamen Staatsanwältin oder Richter werden. Manche interessieren sich dann dafür, andere nicht. Fortbildungen sind für Richterinnen und Richter nicht verpflichtend“, so die Juristin. Sie habe bereits erlebt, dass Richter „rot werden, wenn sie die Zeugin befragen oder frauenverachtenden Narrativen folgen. Sie haben nicht gelernt, offen über Sexualität zu sprechen, und sie haben nichts über Täterstrategien gelernt.“

Generell mahnt Clemm auch eine gesellschaftliche Veränderung im Sprechen über sexualisierte Gewalt an. „Ein Femizid ist zum Beispiel kein ‚Liebesdrama‘ und keine ‚Familientragödie‘. Es ist ein Mord.“ Wichtig sei es dabei, auch über die Täter zu sprechen und diese klar zu benennen.

Zudem gelte es, sexistische Vorurteile und Klischees, die oft die Grundlage für Gewalt gegen Frauen seien, abzubauen. Das fange schon in der Erziehung an. „Wir könnten ermöglichen, dass Jungs anfangen, über Gefühle zu sprechen, dass sie feinfühlig sind und sich sorgen. Und dass Mädchen in der Lage sind, wehrhaft zu sein“, betonte Clemm. Gleichzeitig müsse Kindern etwa in Schulen und Kitas ermöglicht werden, über Rollenbilder und ihr häusliches Umfeld offen zu sprechen. „Ein Kind, dessen Vater die Mutter schlägt, denkt oft, es sei mit schuld daran – weil es vielleicht zu laut war. Oder es fühlt sich mit diesen Erfahrungen allein. Deshalb ist es wichtig, in jeder Familie ein ‚Außen‘ zu etablieren, in dem die Kinder sich vertrauensvoll äußern können.“

Clemm ist Autorin des Buches „Gegen Frauenhass“, das am 4. September erschienen ist. Darin erläutert die Juristin Spiralen geschlechtsspezifischer Gewalt in Partnerschaften und schlägt Lösungsansätze vor.

kna