Der Vatikan hat dem früheren Erzbischof und Kardinal Ricard eine weitere öffentliche Ausübung des Priestertums dauerhaft untersagt.
Paris – Wegen eines Falls von sexuellem Missbrauch einer Minderjährigen in den 80er Jahren hat der Vatikan dem früheren Erzbischof von Bordeaux und Kardinal Jean-Pierre Ricard (79) eine weitere öffentliche Ausübung des Priestertums dauerhaft untersagt. Ausgenommen sei das Bistum, in dem er seinen Wohnsitz hat, in diesem Fall Digne (Alpes-de-Haute-Provence), berichtete die Zeitung „La Croix“ (online Mittwochnachmittag). Ricard befindet sich seit 2019 als Bischof im Ruhestand.
Ricard ist einer von rund einem Dutzend amtierenden oder emeritierten französischen Bischöfen, denen sexuelle Verfehlungen oder schwere Fehler im Umgang damit zur Last gelegt werden. Das öffentliche Ansehen und Wort der Bischöfe in Frankreich hat durch Enthüllungen um sexuellen Missbrauch oder den Umgang damit stark gelitten. Ein Ermittlungsverfahren gegen Ricard wegen schwerer sexueller Nötigung war von der Staatsanwaltschaft Marseille aufgrund von Verjährung eingestellt worden.
Das vatikanische Urteil, so die Zeitung, sei bereits vor einigen Monaten gefallen und Ricard von seinem Marseiller Amtsbruder Kardinal Jean-Marc Aveline mitgeteilt worden. Ricard hatte die Tat Ende 2022 während der Vollversammlung der französischen Bischöfe per Brief gestanden; daraufhin wurde der kirchenrechtliche Prozess eingeleitet. Er bleibt damit Priester und auch Kardinal, darf aber sein geistliches Amt nicht mehr öffentlich ausüben, etwa durch Messfeier, Taufe, Beichte etc.
Der von der Zeitung kontaktierte Kardinal Aveline sagte demnach: „Kardinal Ricard lebt völlig zurückgezogen, er ist intelligent genug zu verstehen, dass er sich diskret zurückhält“. Der Bischof von Digne, Emmanuel Gobilliard, sagte dagegen deutlich: „Ich bin nicht damit einverstanden, dass Kardinal Ricard derzeit in der Diözese Digne zelebriert. Ich habe ihm gesagt, dass ich hoffe, dass die Sanktion auch hier angewandt wird.“ Ricard selbst versicherte laut Bericht, er wolle keine Kontroverse hervorrufen oder schüren.
Ricard, ein Kind des Marseiller Bürgertums, wurde 1968 zum Priester des Erzbistums Marseille geweiht und verbrachte die ersten 20 Jahre seines Dienstes in seiner Geburtsstadt. 1987 ereigneten sich die Übergriffe auf die damals 14-jährige Tochter eines befreundeten Paares. 1988 wurde Ricard Generalvikar in Marseille.
Seit 1993 Weihbischof in Grenoble, ernannte ihn Johannes Paul II. 1996 zum Bischof von Montpellier. Von 2001 bis 2019 leitete er das Erzbistum Bordeaux im Südwesten des Landes; zudem war er von 2001 bis 2007 Vorsitzender der Bischofskonferenz.