Papst Pius XII. und der Vatikan hatten einem italienischen Historiker zufolge nicht versucht, die Deportation der Juden aus Rom durch die SS im Oktober 1943 zu verhindern.
Rom – Papst Pius XII. und der Vatikan hatten einem italienischen Historiker zufolge nicht versucht, die Deportation der Juden aus Rom durch die SS im Oktober 1943 zu verhindern. Diese These vertrat der Faschismus-Historiker Amedeo Osti Guerrazzi am Dienstag bei einem Fachkongress in Rom an der Päpstlichen Universität Gregoriana.
Laut Darlegung von Guerrazzi belegen Tagebucheintragungen des SS-Reichsführers Heinrich Himmler, dass es keine Intervention aus Rom gegeben habe, die zu einem Abbruch der Juden-Razzia am 16. Oktober 1943 führte. Eine solche von Pater Pankratius Pfeiffer und Bischof Alois Hudal über den deutschen Kommandanten in Rom, General Reiner Stahel, bewirkte Intervention bei Himmler war bisher in mehreren Darstellungen der Judendeportation angenommen worden.
Sie sollte erklären, warum nicht – wie ursprünglich geplant – rund 8.000 römische Juden von der SS in Konzentrationslager deportiert wurden, sondern lediglich etwa tausend. Die SS habe die Deportation frühzeitig abgebrochen und nur zu einem Bruchteil ausgeführt, weil man eine öffentliche Intervention des Papstes und einen möglichen Volksaufstand in Rom habe vermeiden wollen, so eine frühere These.
Laut dem in Padua lehrenden Historiker Guerrazzi täuschte Stahel gegenüber seinen kirchlichen Gesprächspartnern aber lediglich vor, dass er etwas unternehmen werde, um die Juden-Deportation stoppen zu lassen. In Wahrheit sei sie nur deshalb abgebrochen worden, weil Tausende Juden bereits auf der Flucht gewesen seien und die Deutschen nicht über genügend Kräfte verfügt hätten, sie aufzuspüren und einzusammeln.
Guerazzi äußerte sich auch über die mutmaßlichen Gründe für das Schweigen von Pius XII. zu der erfolgten Deportation der rund tausend Juden. Er vermute, dass die Angst vor einem Einmarsch der deutschen Besatzer Roms im Vatikan bis hin zu einer Entführung des Kirchenoberhaupts sehr real gewesen und ein entscheidendes Motiv für das Schweigen von Pius XII. gewesen sei. Dass es solche Befürchtungen gab, sei nach jetziger Aktenlage „mehr oder weniger bewiesen“.