Die weltweit rund 7.000 Sprachen unterscheiden sich in ihrer Komplexität – also beispielsweise im Zusammenspiel von Aufbau, Grammatik, Wort- und Satzbildung – deutlich stärker als bisher vermutet.
Mannheim – Die weltweit rund 7.000 Sprachen unterscheiden sich in ihrer Komplexität – also beispielsweise im Zusammenspiel von Aufbau, Grammatik, Wort- und Satzbildung – deutlich stärker als bisher vermutet. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag veröffentlichte, computergestützte Studie des Leibniz Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim.
„Bislang ging die Linguistik davon aus, das alle Sprachen mehr oder weniger gleich kompliziert sind“, sagte Studien-Co-Autor Sascha Wolfer der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Wir konnten nun aber zeigen, dass es erhebliche Unterschiede gibt. Dabei gilt, dass sehr weit verbreitete Sprachen, die von vielen Menschen gesprochen werden, in der Regel deutlich komplizierter sind als kleine Sprachen mit nur wenigen Sprechern.“
Das Forscherteam um Wolfer, Alexander Koplenig und Peter Meyer untersuchte für die Studie mehr als 6.500 Texte in 2.000 Sprachen, die die Muttersprachen von mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung sind. Die Zusammenstellung umfasste insgesamt 3,5 Milliarden Wörter.
Ausgangspunkt waren Texte, die in möglichst vielen Übersetzungen vorliegen. So nutzten die Forscher Protokolle des Europarats, verschiedene Sprachversionen des Computerbetriebssystems Ubuntu, Filmuntertitel, den Koran und die Bibel. „Die Bibel ist für unsere Analyse besonders gut geeignet, weil sie durch die Versgliederung extrem gut vergleichbar ist und in so vielen Übersetzungen vorliegt“, sagte Wolfer. Ausgewertet wurden das Alte Testament in 147 Sprachen und das Neue Testament in 1.093 Sprachen.
Ein von den Wissenschaftlern eigens geschriebener Algorithmus ging bei der Analyse ähnlich vor wie das bekannte Sprachprogramm ChatGPT. „Es geht jeweils darum, den auf den vorgegebenen Text folgenden Buchstaben oder das folgende Wort vorherzusagen. Dabei gilt vereinfacht gesagt: Je treffsicherer der Algorithmus ist, desto einfacher aufgebaut ist die Sprache.“
Warum große Sprachen tendenziell komplizierter sind, ist laut der Studie noch unklar. Hierzu wollen die Wissenschaftler weiter forschen. Geplant ist auch eine Studie dazu, ob Sprachen tendenziell ähnlich schwer zu erlernen sind.