Der Chef-Dogmatiker des Papstes, Kardinal Victor Fernandez, erhält Drohbriefe. Über deren Inhalt sprach er im Interview der italienischen Zeitung La Stampa.
Rom – Der Chef-Dogmatiker des Papstes, Kardinal Victor Fernandez, erhält Drohbriefe. Über deren Inhalt sprach er im Interview der italienischen Zeitung La Stampa (Donnerstag). Die Botschaft „Wir werden Sie vernichten“ habe er dreimal erhalten, so der Argentinier, der seit September die Glaubensbehörde im Vatikan leitet. Das Gefühl, gehasst zu werden, sei nicht schön. Er selbst komme zurecht, versicherte der 61-Jährige. Das Problem sei aber, dass durch solche Reaktionen Einheit und Harmonie in der Kirche verletzt würden.
Seit geraumer Zeit steht der Chef-Dogmatiker des Papstes in der Kritik vor allem konservativer Kirchenvertreter. Vor Jahrzehnten verfasste Büchern zu Glaube und Sexualität sorgten für eine Vielzahl negativer Reaktionen, derzeit auch die Vatikan-Erklärung „Fiducia supplicans“ (Das flehende Vertrauen). In der kurz vor Weihnachten veröffentlichten Erklärung der Glaubensbehörde erlaubt die katholische Kirche erstmals auch eine Segnung homosexueller Paare.
Dokumente wie dieses verursachten nicht die Spaltungen in der Kirche, so Fernandez im Interview; sie brächten sie lediglich zum Vorschein. Erneut bekräftigt der frühere Bischof von La Plata, dass solche Segnungen weder sakrilegisch noch blasphemisch sein könnten – ein häufig geäußerter Vorwurf. Sie seien ein Akt der Seelsorge, nicht der Liturgie, und sie sanktionierten weder etwas noch qualifizierten oder autorisierten oder anerkennten sie.
Hingegen bezeichnete es Fernandez als Sakrileg oder Blasphemie, „die Kommunion mit Hass im Herzen zu empfangen oder zu akzeptieren, dass ein Mensch nur wegen seiner sexuellen Orientierung eingesperrt oder ermordet wird“.
Nach teils heftigen innerkirchlichen Reaktionen sah sich der Vatikan in der vergangenen Woche zu weiteren Ausführungen zu „Fiducia supplicans“ gezwungen. Fernandez nennt darin ein praktisches Beispiel für einen solchen Segen, dessen Dauer in diesem Fall mit 10 bis 15 Sekunden angegeben ist. Diese kurze Zeitspanne sorgte wiederum in liberalen kirchlichen Kreisen für Empörung.
Eines der Merkmale der nicht-rituellen Art solcher Segnungen sei ihre kurze Dauer, bekräftigte Fernandez nun. „Ich wusste, dass man sich über dieses 15-Sekunden-Detail lustig machen würde; aber ich bin das Risiko eingegangen, um deutlich zu machen, dass mit diesen Segnungen nicht die Welt untergeht.“