Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat Kritik an medialen Mechanismen bei der Berichterstattung über Kriege und Krisen geäußert.
Wien – Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat Kritik an medialen Mechanismen bei der Berichterstattung über Kriege und Krisen geäußert. „Von all den vielen Opfern von Krieg, Gewalt, Erdbeben, Überschwemmungen und Naturkatastrophen wird meist nur kurz berichtet, bis die nächste Schreckensnachricht zur Nummer eins wird“, schreibt Schönborn in seiner Freitagskolumne in der Gratiszeitung „Heute“.
Schönborn plädiert stattdessen dafür, trotz der vielen Kriege und Konflikte auf der Welt nicht die Aufmerksamkeit für das Leid der Menschen zu verlieren. „Heute möchte ich an all die Menschen in Not erinnern, an die wir kaum mehr denken. Bei der täglichen Flut an Nachrichten geraten sie allzu leicht in Vergessenheit.“
Wenn ein Konflikt nicht mehr unter medialer Dauerbeleuchtung stehe, verlören ihn die Menschen schnell aus den Augen, so der Wiener Erzbischof. „Früher sagte man: aus den Augen, aus dem Sinn. Heute müssen wir zugeben: aus den Medien, aus dem Sinn.“
Als Beispiel nennt der Kardinal den Konflikt in Gaza, der den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus den Nachrichten verdrängt habe. „Er geht trotzdem unvermindert grausam weiter, mit endlosen Opfern, nur ist er nicht mehr so stark in unserem Bewusstsein, obwohl alles so nahe bei uns geschieht“, mahnt Schönborn. Und auch der Krieg im Heiligen Land gerate in den Hintergrund: „Nach drei Monaten sind immer noch über 100 israelische Geiseln entführt. Es wird kaum mehr von ihnen gesprochen.“ Ihre Angehörigen aber hätten sie nicht vergessen, sondern bangten weiter täglich um ihr Leben.
Klar sei, „wir können nicht an alles Leid der Welt denken. Unsere Aufmerksamkeit ist begrenzt.“ Aber, so der Wiener Erzbischof: Man könne damit beginnen, die Menschen um sich nicht zu vergessen. „Und wenn wir es nicht immer schaffen, ein Trost bleibt: Niemand wird von Gott vergessen, auch wir selber nicht.“