In Südafrika steht nach der Parlamentswahl eine politische Zeitenwende bevor. Die könnte auch mit Gewalt verbunden sein, warnen die katholischen Bischöfe des Landes – und rufen zu Zusammenhalt auf.
Pretoria – Südafrikas katholische Bischöfe haben die Politiker des Landes zur Zusammenarbeit aufgerufen. Bei der Parlamentswahl am Mittwoch hatte der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) erstmals seit Ende der Apartheid 1994 seine absolute Mehrheit verloren. Das stelle die Parteien vor die „einzigartige Möglichkeit, für das Wohlergehen der Nation zusammenzuarbeiten und alle Ideologien beiseite zu lassen“, erklärte Bischof Sithembele Sipuka, Präsident der Südafrikanischen Bischofskonferenz, am Montag.
Zugleich warnten die Bischöfe vor möglichen Ausschreitungen nach der Wahl. „Vor allem rufen wir alle Parteien auf, Äußerungen und Handlungen zu vermeiden, die zu Gewalttaten, Zerstörung oder dem Verlust von Leben führen könnten“, heißt es in Sipukas Brief.
Sicherheitslage angespannt
Südafrikanischen Medien zufolge ist die Lage angespannt, nachdem die Partei von Ex-Präsident Jacob Zuma am Wochenende erfolglos eine Neuauszählung der Stimmzettel gefordert hatte. Im Juli 2021 hatte Zumas kurzzeitige Inhaftierung zu Unruhen und Plünderungen geführt. 354 Menschen kamen bei den Tumulten ums Leben.
Der ANC wurde am Sonntag mit 40 Prozent offiziell zum Wahlsieger erklärt; jedoch gilt der Verlust der absoluten Mehrheit als historische Niederlage für die frühere Befreiungsbewegung. Im Raum steht nun eine Koalition mit der liberalen Demokratischen Allianz (22 Prozent), Zumas MK-Partei (15 Prozent) oder kleineren Kräften wie den Wirtschaftlichen Freiheitskämpfern (unter 10 Prozent). Auch eine „Regierung der nationalen Einheit“ ist laut südafrikanischen Medien möglich.
Dieses Wahlergebnis stellt eine politische Zeitenwende für die Regenbogennation dar“, sagte Gregor Jaecke, Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kapstadt. Als negativer Faktor für den ANC stellte sich die erst kürzlich gegründete MK-Partei von Ex-Präsident Jacob Zumaheraus. Diese holte auf Anhieb fast 15 Prozent und landete hinter der Demokratischen Allianz (DA; 22 Prozent) auf Platz drei. Zuma war 2018 nach zahlreichen Korruptionsskandalen vom ANC als Staatsoberhaupt abberufen worden. In Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal wurde MK mit fast 46 Prozent stärkste Kraft.
Ex-Präsident Zuma als kritischer Faktor
Die Parteien haben nach offizieller Ergebnisverkündung zwei Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden. Ein Bündnis zwischen ANC und Zumas MK-Partei oder den viertplatzierten linksradikalen Wirtschaftlichen Freiheitskämpfern (EFF) könnte Experten zufolge die zahlreichen Missstände im Land weiter verschlimmern. Südafrika plagen nach wie vor weit verbreitete Armut und Einkommensunterschiede, Korruption, Kriminalität und eine Energiekrise.
„Die Rückkehr des ehemaligen Staatspräsidenten Zuma auf die politische Bühne kann den Weg zu einem gescheiterten Staat bedeuten“, warnt Jaecke. So stehe Zuma „für all das, was das Land in der Krise am wenigsten braucht“; von Korruption, Diebstahl und Straffreiheit über die Verstaatlichung von Banken und Minen bis hin zur Spaltung der südafrikanischen Gesellschaft.
Als stabilisierender Faktor hingegen gilt eine mögliche ANC-DA-Koalition. „Die beiden werden kooperieren müssen, um die Regierung am Laufen zu halten“, schreibt die südafrikanische Politik-Analystin Carol Paton am Wochenende. Wegen gravierender ideologischer Unterschiede zwischen der ehemaligen Befreiungsbewegung und den Liberalen mit weißem Anführer sei die Zusammenarbeit aber für beide auch mit einer existenziellen Gefahr verbunden.