Marx: „KI braucht den Menschen“

Am Sonntag begeht die katholische Kirche in Deutschland den 58. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, der auch als Mediensonntag bekannt ist.
Marx: „KI braucht den Menschen“

Kardinal Reinhard Marx –Foto: Erzbischöfliches Ordinariat München (EOM) / Lennart Preiss

Am 8. September 2024 begeht die katholische Kirche in Deutschland den 58. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, der auch als Mediensonntag bekannt ist. Darauf wies die Deutsche Bischofskonferenz am Montag in einer Mitteilung hin. Papst Franziskus stellt in seiner diesjährigen Botschaft das Thema „Künstliche Intelligenz und Weisheit des Herzens: für eine wahrhaft menschliche Kommunikation“ ins Zentrum. Darin benennt er verschiedene Möglichkeiten und Risiken, die mit dem Einsatz von KI verbunden sein können. Papst Franziskus mahnt einen verantwortungsbewussten Einsatz von KI an und fordert die Weltgemeinschaft auf, verbindliche Regelungen für die Entwicklung und Anwendung von KI zu schaffen. Denn, ob KI mehr Chance oder mehr Risiko birgt, so Papst Franziskus, „hängt von uns ab: Es liegt am Menschen, zu entscheiden, ob er zum Futter für Algorithmen wird oder ob er sein Herz mit Freude nährt“. Aus Anlass des Mediensonntags greift Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, das Anliegen auf:

„Seit dem 1. August 2024 ist in der EU eine neue KI-Verordnung, der sogenannte ‚AI Act‘, in Kraft. Darin werden verschiedene Anwendungen von KI als riskant bewertet und unter bestimmte Anforderungen gestellt. Das gilt etwa für Anwendungen zur Bewertung sozialen Verhaltens, Social Scoring genannt. Dabei geht es darum, dass erwünschtes Verhalten einen höheren sozialen ‚Wert‘ einbringt, unerwünschtes Verhalten jedoch nicht. Der Einsatz dieser Technologie in China wird seit Langem höchst kritisch gesehen, sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft. Mit solchen Anwendungen wird es möglich, dass die Würde des Menschen zu einem beliebigen, bestimmten ‚Wert‘ (score) degradiert wird. In aller Regel zeichnen sich solche Anwendungen nicht durch Transparenz aus und stärken nicht die Freiheit. Sie dienen vielmehr partikularen Interessen staatlicher und ökonomischer Art.

KI ist mehr als eine technologische Entwicklung

Schon dieses Beispiel zeigt, dass KI weit mehr ist als eine rein technologische Entwicklung. Durch KI wird die digitale Transformation unseres Lebens individuell und gesellschaftlich sehr beschleunigt. Dass technischer Fortschritt die Lebensumstände nicht immer verbessert, das ist nicht neu. Umso entscheidender sind Technikfolgenabschätzungen, die auch Kriterien, ethische Standards und Mechanismen zur Regulierung nach sich ziehen, wie es aktuell der AI Act der EU versucht.

Auch KI kann zum Guten eingesetzt werden, im Einklang mit zentralen Werten wie Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden. Es ist, wie Papst Franziskus zu Recht betont, eine Entscheidung, die wir als Menschheit treffen müssen und treffen können. Ein möglicher Orientierungspunkt dazu können auch die sozialen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen sein, die sich etwa der Überwindung von Ungleichheit, Armut und Hunger, aber auch der Förderung von Bildung, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit verschreiben.

Im Bereich der Medien und der Kommunikation ist die Nutzung von KI mittlerweile selbstverständlich. Wir erleben leider immer wieder, dass öffentliche Diskurse und Meinungsbildung durch einen intransparenten Einsatz von Algorithmen gesteuert und manipuliert werden. Fake News und Deepfake sind ein alltägliches Risiko geworden. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, ist eine vertiefte Befassung mit der technologischen Entwicklung unumgänglich ebenso wie ein Fokus auf Kompetenzerwerb für Einsatz und Nutzung. Dazu tragen wir als katholische Kirche in den (Erz-)Diözesen auch mit Angeboten zur Medienpädagogik und Medienkompetenz bei. Den reflektierten und ethisch verantwortbaren Einsatz beispielsweise von KI-gesteuerten Textgeneratoren kann man erlernen. Als Kirche möchten wir die Sensibilität in der Gesellschaft für dieses Thema fördern, denn diese Fragen gehen uns alle an.

Alle Menschen sollen gleichermaßen Zugang erlangen

Ganz im Sinne des christlichen Menschenbildes und eines Menschseins in verantwortlicher Freiheit geht es keineswegs darum, technische Entwicklungen abzulehnen, sondern dazu beizutragen, dass alle Menschen gleichermaßen Zugang erhalten und sie dem Leben der Menschen dienen können. Das ist auch eine Frage sozialer und globaler Gerechtigkeit und einer schöpfungsverantwortlichen und generationenübergreifenden Nachhaltigkeit.

Im Mittelpunkt steht der Mensch – als Subjekt und nicht als Objekt! In der weiteren Gestaltung der digitalen Transformation braucht es deshalb die Fokussierung auf das Menschsein. Das ist eine hochkomplexe Herausforderung und es ist deshalb gut, dass viele, die KI erforschen, entwickeln und einsetzen, dies auch mit einer ethischen Haltung tun. Wir sollten auch angesichts technischer Möglichkeiten nicht den eigenen Optimierungsphantasien nachstreben, sondern vielmehr dazu beitragen, unsere Freiheit und die Freiheit aller Menschen zu befördern. Ich bin überzeugt, dass eine Technologisierung und Ökonomisierung ohne Ethik letztlich scheitern wird, weil sie den Menschen nicht in seiner Ganzheit erfassen kann. KI braucht den Menschen, nicht der Mensch die KI!“

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