Weltweit fehlen Menschen 2,59 Billionen US-Dollar, um sich gesund ernähren können. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Misereor.
Aachen/Berlin/Göttingen – Weltweit fehlen Menschen 2,59 Billionen US-Dollar, um sich gesund ernähren können. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Misereor und Wissenschaftlern der Georg-August-Universität Göttingen zur „Armutslücke Welternährung“. Diese wurde am Dinstag im Vorfeld des Erntedankfestes (6.Oktober) und des Welternährungstages (16. Oktober) vorgestellt.
„Trotz einer wachsenden Weltwirtschaft ist die Ernährungsarmut dramatisch hoch“, ordnet Lutz Depenbusch, Entwicklungsökonom und Ernährungsexperte bei Misereor, die Ergebnisse der Studie ein. 3,1 Milliarden Menschen fehle das Geld für eine gesunde Ernährung, zusammengerechnet insgesamt 2,59 Billionen US-Dollar. „Bei einer globalen Wirtschaftsleistung von 139 Billionen US-Dollar entspricht diese Lücke lediglich 1,86 Prozent der globalen Einkommen, trennt aber zwei von fünf Menschen von einer gesunden Ernährung“, erklärt Jonas Stehl, Entwicklungsökonom an der Universität Göttingen.
Wie groß die Ungleichheit ist, zeigt sich auch im Jahresvergleich: Während die durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen bereits 2021 das Vor-Corona-Niveau überschritten hatten, bleibt die globale Armutslücke auch 2022 auf Niveau des Krisenjahres 2020. „Nachdem Menschen in Armut besonders stark von den Krisen der vergangenen Jahre betroffen waren, bleibt ihnen nun ein gerechter Anteil am wieder wachsenden Wohlstand verwehrt“, so Lutz Depenbusch. Besonders kritisch sei die Situation in Subsahara-Afrika. Hier wachse die Armutslücke durchgehend seit 2019. Depenbusch warnt: “Ohne eine rasche Trendumkehr wird es immer schwieriger, den Rückstand im Kampf gegen Mangelernährung in der Region aufzuholen.“
Stark betroffen: Südasien und Subsahara-Afrika
„Im Vergleich der Weltregionen weist Südasien auch im aktuellen Berechnungszeitraum 2022 mit 30 Prozent den größten Anteil an der globalen Armutslücke auf“, führt Jonas Stehl aus. Im Vergleich: Der Anteil von Europa und Zentralasien zusammengenommen liegt unter vier Prozent. Pro Kopf ist die Ernährungsarmut in Mosambik am größten. „Dort können sich 94 Prozent der Menschen keine gesunde Ernährung leisten“, so Stehl weiter. Zudem ist die Armutslücke in Mosambik größer als die gesamte Wirtschaftsleistung des Landes. Neben Niedrigeinkommensländern weisen auch Länder mit mittleren Einkommen und hoher Ungleichheit große Armutslücken auf.
In Brasilien, Südafrika und Kenia zum Beispiel kann sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung keine gesunde Ernährung leisten. „Die hohen Werte zeigen, dass Ernährungsarmut oft mit sich verstärkenden Krisen einhergeht“, erklärt Depenbusch. In Kenia etwa fehlt 72 Prozent der Menschen das Geld für eine gesunde Ernährung. In kurzer Folge sei das Land von der COVID-Epidemie, einer Schuldenkrise, einer durch die Klimakatastrophe verstärkten Dürre und Überschwemmungen getroffen worden. Die Zivilgesellschaft im Land kritisiere die unzureichende Vorbereitung der Regierung auf die Klimakatastrophe, sagt Depenbusch, vor allem aber den Schuldenabbau auf den Schultern einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen. „Die wachsenden Proteste gegen Steuererhöhungen und steigende Lebenshaltungskosten in Kenia und anderen Ländern wie Nigeria und Uganda zeigen, dass für viele Menschen die Belastungsgrenze erreicht ist,“ so Depenbusch.
Zivilgesellschaft stärken und Armut reduzieren
Misereor fordert vor diesem Hintergrund, den globalen Reichtum einzusetzen, um Armut zu reduzieren und durch Hunger und Mangelernährung verursachtes Leid zu beenden. „Die deutsche Bundesregierung sollte sich bei den Vereinten Nationen für den Abschluss eines globalen Steuerabkommens und ein geordnetes Entschuldungsverfahren für hoch verschuldete Länder einsetzen“, fordert der Misereor-Ernährungsexperte. „Lokale zivilgesellschaftliche Akteure, die sich bei ihren Regierungen für Menschen in Armut und Ernährungssicherung einsetzen, brauchen verlässliche Unterstützung.“ Angesicht der anhaltenden Krisenlage seien Kürzungen bei der internationalen Zusammenarbeit daher nicht vertretbar. „Das Einkommen, das Menschen weltweit fehlt, entspricht weniger als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Es ist genug für alle da. Jetzt muss es auch dort ankommen, wo es am dringendsten gebraucht wird,“ so Depenbusch.
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