Der entscheidende Zeitpunkt für die Lösung von Zukunftsfragen in der katholischen Kirche, der Kairos, ist nach Meinung des Bonner Fundamentaltheologen Professor Dr. René Buchholz längst überschritten. Er regiert damit auf einen einen Gastbeitrag von Professor Dr. Hans Waldenfels SJ, der Anfang November im Neuen Ruhr-Wort erschienen ist.
Im Rahmen der Zölibatsdebatte schreibt Buchholz – Ausgabe vom 26. November 2016 der unabhängigen katholischen Wochenzeitung –, dass es bereits heute immer schwerer sei, Männer und Frauen für die hauptamtlichen, nicht ans Weiheamt gebundenen Dienste in der Kirche zu finden. Dies gelte zumal für den Einsatz in ländlichen Regionen, in denen die Rede von Verödung und Repaganisierung „nicht übertrieben“ sei. Die Kirche habe den Kairos verschlafen „oder, schlimmer noch, ängstlich an sich vorbeiziehen lassen“, so Buchholz. Die Berufung von Laien werde häufig erst wiederentdeckt, wenn es an hauptamtlichen Seelsorgern beziehungsweise Priestern mangele. „Das Fremdwort für ,Berufung’ lautet aber nicht ,Kompensation’ “, betont Buchholz, der an der Universität Bonn lehrt.
Auch andere kritische Theologen melden sich im Neuen Ruhr-Wort zu Wort, darunter der Luzerner Pater Josef Meili SMB, früherer Generaloberer der Missionsgesellschaft Bethlehem in der Schweiz. Er kritisiert die „künstliche“ Zusammenlegung von Gemeinden zu Großpfarreien und damit einhergehend die Zerstörung gewachsener Gemeindestrukturen. „Man fragt sich, wie lange man noch warten muss, bis sich etwas regt?“, fragt Meili. „Wohl solange, bis nur noch senile ,Eucharistanten’ mit dem Krankenwagen von einem XXL-Pfarreiverband in einen anderen gefahren werden müssen?“
Zölibat als Zeichen der Hoffnung und Solidarität
Andere Töne schlägt die Mainzer Diplom-Theologin und Autorin Angela Römelt an. Sie hält ein Plädoyer für den Zölibat beziehungsweise die mögliche Rolle von zölibatären Priestern in einer Gesellschaft, in der religiöse Identität und die Suche nach Antworten auf existenzielle Fragen nicht mehr an die Identifikation mit einer Gemeinschaft oder Gemeinde gebunden sind, sondern an individuelles Entscheiden und Erleben. „Ich halte es nach wie vor für wertvoll, mehr denn je eigentlich, dass der Zölibat ein Zeichen gerade für die moderne Zeit ist, dass der Mensch letztlich alleine vor Gott steht“, schreibt Römelt. „Unsere Zeit hat Beziehung, sexuelle Erfüllung, emotionale Bindung zum Muss erhoben. Wer auf diesem Gebiet versagt, verliert eigentlich das Leben. Es wäre ein ungeheuer sprechendes Zeichen der katholischen Kirche, wenn sie hier den Zölibat als Zeichen der Solidarität und Hoffnung präsentieren könnte: der Mensch alleine ist nicht verloren oder hat versagt! Der Single ist nicht ein bemitleidenswertes Wesen, das schleunigst auf Parship gehen muss!“
Befähigte Laien als Gemeindeleiter
Der renommierte Essener Fundamentaltheologe Professor Dr. Hans Waldenfels SJ hatte jüngst in einem Gastbeitrag für das Neue Ruhr-Wort mit Blick auf den Zölibat bekräftigt, es sei „höchste Zeit über Tabus in der katholischen Kirche zu sprechen“. Noch gebe es „gar nicht so wenige Männer, die das Zeug zum Gemeindeleiter haben und intellektuell und spirituell nicht weit von den Standards entfernt sind, die für die Priesteramtskandidaten in den Seminaren gelten“, so der frühere Direktor des Fundamentaltheologischen Seminars an der Universität Bonn mit Blick auf geeignete Laien. „Sie ließen sich für diese Aufgabe auch gewinnen“ – für die Generation ihrer Söhne gilt das laut Waldenfels schon nicht mehr. Die Chancen auf eine zeit- und sachgemäße Pastoral schwinden.
Waldenfels forderte auch ein Ende der „vielen Machtspiele, die immer noch in der Kirche gespielt werden“. Es sei an der Zeit, Abschied von der Ständekirche zu nehmen. „Wir brauchen eine Kirche, die in ihrer Fülle zu den Menschen geht“, betont Waldenfels. „Wir brauchen eine Kirche, die den Menschen Heimat bietet.“