Das Bistum Essen geht auf seinen 60. Geburtstag zu. Die Diözese ist noch relativ jung, sieht sich aber schon vor gravierenden Veränderungen. Von der Fläche her ist es die kleinste unter den 27 katholischen Diözesen in Deutschland. Und es ist eine der jüngsten. In diesen Tagen jährt sich seine vertragliche Gründung zum 60. Mal. Am 23. Februar 1957 wurde die Ratifizierungsurkunde von Papst Pius XII. gegengezeichnet. Und am 26. Februar erlangte diese Rechtskraft.
Am 1. Januar 1958 wurde das Ruhrbistum aus Teilen der Erzbistümern Köln und Paderborn sowie der Diözese Münster errichtet. Rund 1,4 Millionen Katholiken lebten damals in der Region zwischen Stahlwerken und Kohlezechen. Franz Hengsbach, bis dahin Weihbischof in Paderborn, trat als erster Oberhirte an die Spitze. Er blieb 33 Jahre und prägte die Kirche von Essen nachhaltig. Mit der Gründung wollte die Kirche dem damals noch boomenden Ruhrgebiet und den Industriearbeitern Rechnung tragen. Doch schon bald stellte sich die Kohlekrise ein. Seither befindet sich das Ruhrgebiet in einem umfassenden Strukturwandel.
Mehr als eine Million Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe gingen seither verloren. Etwa 300.000 neue entstanden im Dienstleistungssektor. Die Kirche sah und sieht es als zentrale Aufgabe an, die Menschen bei diesem Strukturwandel zu begleiten. Das Engagement des ersten Bischofs und späteren Kardinals Hengsbach für die Schwachen und Benachteiligten ist legendär. Ihm folgte 1992 Bischof Hubert Luthe, der Hengsbachs Linie fortsetzte. Er leitete aber wegen rückläufiger Mitgliederzahlen eine Strukturreform im Bistum ein. Nachdem Luthe 2003 in den Ruhestand trat, übernahm Felix Genn den Bischofsstuhl. Der dritte Ruhrbischof hatte bereits als Weihbischof von Trier die Krise von Kohle und Stahl im Saarland kennengelernt.
Er setzte während seiner knapp sechsjährigen Amtszeit die Strukturreform weitgehend um. Nach seiner Ernennung zum Bischof von Münster kam von dort sein Nachfolger: Franz-Josef Overbeck. Die Diözese umfasst heute rund 791.000 Katholiken, gerade noch 57 Prozent vom Ursprungswert. Der Anteil der Katholiken an der Gesamtbevölkerung beträgt etwa 32 Prozent. Schon Genn hatte 2005 entschieden, die ehemals 259 Gemeinden zu 43 Pfarreien zusammenzulegen, die Zahl der Kirchengebäude um rund 100 zu reduzieren, Personal abzubauen und Dienstleistungen im Generalvikariat zu zentralisieren. 2013 machte sich Bischof Overbeck dann an die innere Wandlung der Kirche im Bistum Essen. «Wir müssen unter völlig neuen Bedingungen Kirche sein», sagte er bei der Vorstellung des unter seiner Leitung erstellten «Zukunftsbilds».
Sieben Eigenschaften sollen demnach das Bild der künftigen Kirche prägen: Sie soll berührt, wach, vielfältig, lernend, gesendet, wirksam und nah sein. Dies bedeute, Kirche müsse einen Blick für die Lebenswirklichkeit der Menschen haben, offen für Vielfalt sein, diakonisch handeln und nah bei den Menschen sein. Mit 20 verschiedenen Projekten versucht das Bistum seit Sommer 2015, das Zukunftsbild Stück für Stück aus der Theorie in die Praxis umzusetzen. Dazu gehören Aktionen zur Willkommenskultur, zum interreligiösen Dialog, Segensfeiern für Neugeborene, Zentren für Tod und Trauer, Überlegungen zur Neunutzung überzähliger Kirchen oder die Präsenz des Bistums in sozialen Medien.
Die Nöte der Menschen im Ruhrgebiet sind greifbar: Arbeitslosigkeit, klamme Kommunen, Schwierigkeiten bei der Integration von Ausländern. Hier leben die verschiedenen Kulturen zusammen. Neues entsteht, Altes verliert an Gültigkeit. In dieser Gemengelage will die katholische Kirche, wollen vor allem Verbände wie die Caritas und Beratungsstellen der Diözese, Partner an der Seite der Menschen sein. Overbeck hat die Devise ausgegeben, «Wege zu finden, wie wir in Zukunft lebendige Kirche unter völlig veränderten Bedingungen sein können». Geschichtliche Entwicklungen könnten nicht zurückgeschraubt werden. «Wir werden lernen müssen, mit vielem, was unabänderlich ist, zu leben», so der Essener Oberhirte.